Donnerstag, 31. Januar 2008

Leere Strände zur Hochsaison


Das Rauschen der Wellen im Indischen Ozean vermischt sich mit dem Knistern des Windes in den Palmen: Der Strand von Diani ist immer noch Kenias tropisches Bilderbuchparadies. Wer von den blutigen Unruhen etwas mitbekommen will, benötigt dafür einen Fernseher. Mehr als 500 Kilometer weiter nordwestlich von hier rennen mehr als eine Viertelmillion Menschen um ihr Leben, brennen Hütten, muss die Polizei mit Gummigeschoßen aus Hubschraubern Vertriebene vor dem Tod bewahren. Im nahen Mombasa hat es seit den umstrittenen Wahlen Ende Dezember ein paar Demonstrationen gegeben, in den Armenvierteln ist die Lage angespannt. Doch am Traumstrand sind die Massaker und Gräueltaten eine Welt weit entfernt.

Dennoch sind fast alle Liegen, die die Angestellten des Diani Sea Resort am Morgen unter die Sonnenschirme aus Stroh gerollt haben, leer. "Früher wurde es schnell knapp mit den Liegen, aber jetzt herrscht gähnende Leere", wundert sich Ronald Vrbicky aus Röschitz nahe der tschechischen Grenze, der vor ein paar Jahren schon einmal da war. Der 33-jährige Spengler hat mit seiner Freundin fünf Nächte gebucht, Last Minute für 600 Euro pro Kopf. "Wir wollten eigentlich nach Ägypten, aber da war nichts zu kriegen, und Kenia war unschlagbar billig."

Weil so viele storniert haben, setzte der Verkäufer am Wiener Flughafen noch erklärend hinzu - und dass es in Kenia derzeit 32 Grad warm sei. Von Unruhen sagte er nichts. "Und ich hatte davon auch nichts mitbekommen", gesteht Vrbicky ein. Ein paar Bekannte waren entsetzt. "Aber hier merkt man gar nichts von Krise, und wir haben fest versprochen, in einem Stück zurückzukommen."

So richtig bereut haben die beiden ihre Wahl nicht. Vrbickys elf Jahre jüngere Freundin Birgit Hochwimmer schwingt sich von der Liege und läuft die paar Meter in die Brandung. "Ein bisschen schockiert hat es mich schon, dass hier so wenig Leute sind", sagt sie nach ihrem einsamen Bad. "Das drückt die Stimmung", bestätigt ihr Freund. Ob im Pool, beim Essen oder an der Bar: Ständig hat man das Gefühl, allein zu sein.

Auch Harald Kampa hat sich die diesjährige Hauptsaison irgendwie anders vorgestellt. Der deutsche Hotelier sitzt im luftigen Frühstückssaal, den er selbst vor 17 Jahren geplant und gebaut hat. "Die vergangenen zwei Jahre waren super für den Tourismus in Kenia", erinnert er sich. "Die Belegungszahlen waren gut, und wir haben alle renoviert." Eine Million Euro hat Kampa in die Erneuerung seiner Hotelanlage gesteckt, das entspricht ziemlich genau dem Minus, das er im laufenden Geschäftsjahr erwartet.

Auch Tasneem Adamji, Chefin des Tourismusverbandes, sieht schwarz: "Seit Neujahr sind uns an der Küste und in den Nationalparks 90 Prozent der Einnahmen weggebrochen." Noch düsterer sieht es nur in den Nationalparks aus: "Niemand geht mehr auf Safari." Fast eine Milliarde Euro, so die Prognose, wird Kenia in diesem Jahr im Tourismus verlieren. 20.000 Angestellte in Kenias Urlaubssektor, schätzt Adamji, stehen jetzt schon auf der Straße, bis März könnten es sechsmal so viele sein. Nicht mitgezählt sind die zahlreichen Jobs im informellen Sektor, Beachboys oder fliegende Händler.

Es sind Leute wie der Kameltreiber Aden Mohammed, die sich freuen, am Strand endlich ein paar Urlauber gefunden zu haben. Geduldig unterhält er sich mit Ronald und Birgit, die lachend über das borstige Kamelfell streicht. Sein Geschäft sei schlecht wie bei jedem hier. Dabei, fleht auch Mohammed, sei doch alles wie immer. "Niemand hat ein Hotel angezündet, hier am Strand gab es auch keine Toten." An der Küste gibt es kaum Landwirtschaft, keine Industrie, die Urlauber sind das einzige Kapital. Niemand weiß, was die Entlassenen von Diani stattdessen machen sollen.

(Copyright Der Standard, 31.1.08)