Mittwoch, 16. Januar 2008

Brotbacken in schwierigen Zeiten


Auf die mehlgestäubten Tische aus Nirosta-Stahl donnern die Teigballen im Sekundentakt. Mit geübten Handgriffen formen Bäcker ein paar hundert Vollkornbrote, die gleich in den Gärschrank sollen. Andere wieder sind in der großen Halle dabei, Croissants zu formen oder Keksteig zu schneiden. Mitten in der geschäftigen Halle steht Klaus Schneider (44) und zeigt sich erleichtert. "Trotz des Chaos der vergangenen Tage sind bis auf einen alle meine Leute zum Dienst angetreten, jeden Tag."

120 Angestellte beschäftigt der gebürtige Schladminger in seiner "Ennsvalley Bakery" am Rand von Kenias Hauptstadt Nairobi. Mehr als die Hälfte sind Bäcker und Konditoren, die Schneider selbst ausgebildet hat.

6000 Brote verlassen die Bäckerei täglich, dazu kommen zehntausende Brötchen, Muffins und Gebäck vor allem für Fluglinien. In Supermärkten hat er Bäckereien, außerdem hat er sich gerade einen Traum erfüllt: Ein Wiener Kaffeehaus auf afrikanischem Boden.

Von solch einem Imperium träumte der damals 25-jährige allenfalls, als er nach seiner Lehre zum Konditor und Bäcker in einem kleinen Familienbetrieb eine Annonce in der Zeitung fand: Norwegisches Kreuzfahrtschiff sucht Bäcker. "Zwei Tage später ging ich in Kopenhagen an Bord."

Neugierde und ein bisschen Fernweh waren wohl schon dabei damals, auch wenn die Arbeit alles andere als romantisch war. "Ich habe ständig geschuftet, ich hatte nicht mal Zeit, seekrank zu werden."Mit Umwegen über Ägypten und Saudi-Arabien landete Klaus Schneider vor mehr als 13 Jahren in Nairobi. Im Grand Regency Hotel machte er sich einen Namen, bevor er 1996 seine eigene Bäckerei aufmachte. Auch die hieß schon Ennsvalley, war aber nur sechs Quadratmeter groß. "Ich hatte einen Angestellten, den ich vom Gärtner zur Putzkraft und dann zum Hilfsbäcker ausgebildet habe." Die nächsten Hilfsbäcker lernte er ebenso an: Mit Erfolg. "Vor allem am Wochenende standen Botschafter und Ausländer aller Nationalitäten in einer langen Schlange an - kam der Letzte rein, war meistens schon alles ausverkauft." Mit einer Werbekampagne hat Schneider inzwischen auch Kenianer für sein österreichisches Brot begeistert, die Zeiten des kleinen Bäckerladens liegen lange hinter ihm.

Doch seine Herkunft hat er nie vergessen: So kümmert er sich um jeden Mitarbeiter. "Vor sieben Jahren habe ich den Leuten Wohnungen besorgt, nicht mehr als zehn Minuten von der Fabrik entfernt." Bei den Unruhen der vergangenen Tage ein Riesenvorteil: "Andere Bäcker mussten dicht machen, weil ihre Leute nicht anreisen konnten."

Schwierig wurde irgendwann der Nachschub - die Mühlen wollten kein Mehl mehr liefern, weil immer wieder Lebensmitteltransporte überfallen wurden. Schneiders Fahrer fanden Schleichwege, um das Mehl rein und Brot raus zu transportieren - unter Lebensgefahr. Aber nur einer wurde verletzt, zum Glück nur leicht. Dicht machen will Schneider auf keinen Fall. "Ich bin zwar nicht stolz drauf, aber wir haben von der Krise sogar profitiert: Wir haben viele neue Kunden gewonnen, weil die Konkurrenz nicht liefern konnte."

(Copyright Der Standard, 16.1.08)