Dienstag, 15. April 2008

Die Rückkehr des Hungers in Afrika


Es waren die größten Proteste, die der Sahelstaat Burkina Faso seit langem gesehen hat. Zehntausende gingen Ende Februar in den größten Städten des ehemaligen Obervolta auf die Straße, steckten Reifen in Brand, errichteten Straßensperren und lieferten sich Gefechte mit der Polizei. Fast 300 Demonstranten wurden verhaftet. Dabei hatten die meiste einfachen Männer und Frauen nichts anderes gefordert, als die Lebensmittelpreise zu senken. "Wir haben keine Wahl: Entweder wir demonstrieren oder wir verhungern", rief einer der Demonstranten. "Unsere Stimmen müssen endlich gehört werden", so ein anderer.

Proteste wie diese häufen sich derzeit überall in Afrika: In Kamerun kamen Ende Februar mindestens 17 Menschen bei Aufständen gegen die gestiegenen Benzinpreise ums Leben. In der Elfenbeinküste strich Präsident Laurent Gbagbo Anfang April Einfuhrzölle und senkte Steuern auf Grundnahrungsmittel, nachdem bei Demonstrationen in der größten Stadt des Landes, Abidjan, die Polizei Tränengas eingesetzt hatte, um die Menge zu zerstreuen. Doch zeitgleich warnte Gbagbo: "Steigende Lebensmittelpreise sind ein globales Problem, diese Maßnahmen allein werden es nicht lösen."

Grundnahrungsmittel sind derzeit in Afrika so teuer wie nie zuvor. Die Preise für Weizen, Mais, Zucker oder Pflanzenöl haben sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt, sagt die Direktorin des Welternährungsprogramms, Josette Sheeran. "Der Hunger bekommt ein neues Gesicht. Selbst dort, wo die Ladenregale voll sind, hungern Menschen, weil sie sich die Waren nicht mehr leisten können."

Die steigenden Preise treffen die Ärmsten ins Mark: Eine Portion Mais- oder Getreidebrei ist oft das Einzige, was sie sich am Tag leisten können. Wenn auch das wegfällt, haben sie gar nichts mehr. Besonders kritisch ist die Lage auf dem Land, wo die Menschen sich selbst versorgen müssen. Im Fall einer Missernte konnten sich die Bewohner bisher auf Nahrungsmittelhilfe durch die UN verlassen. Doch auch die ist gefährdet, so Sheeran. "Wir machen uns ernsthafte Sorgen um unsere Operationen." Denn die global gestiegene Nachfrage nach Lebensmitteln hat erstmals seit Jahrzehnten die Preise so weit steigen lassen, dass Güter knapp werden. Hilfsorganisationen können sich die Hilfe oft schlicht nicht mehr leisten.

Die Gründe für die gestiegenen Preise sind vielfältig: Vor allem in China und Indien wächst die Nachfrage nach Lebensmitteln und Fleisch, dessen Produktion im Verhältnis zu Gemüse oder Getreide mehr Fläche verbraucht. In traditionellen Weizenexport-Nationen wie den USA und Kanada spielt die gestiegene Nachfrage nach Biokraftstoffen eine Rolle - es gibt weniger Fläche für den Lebensmittelanbau. In Afrika selbst haben Landflucht und Bevölkerungszunahme das Verhältnis von Produktion zu Verbrauch verschlechtert. Im Sahelgürtel kommt die Ausbreitung der Wüsten hinzu, überall in Afrika verschlechtert zudem der Klimawandel die Bedingungen für Kleinbauern.

Dass sich die Wut in so vielen afrikanischen Staaten auf die Regierungen konzentriert, hat zusätzliche Gründe. Bis heute werden viele Grundnahrungsmittel und Benzin staatlich subventioniert. Politikversagen, Korruption und Inflation sorgen dafür, dass bestimmte Waren nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind. Während die Bevölkerung in der Folge hungert, lassen die Regierungsvertreter es sich meist gut gehen. "Was sollen die Leute denn anderes tun, als gewalttätig zu werden", fragt Kameruns Oppositionsführer John Fru Ndi. Er sieht in den kommenden Monaten weitere Proteste auf Afrikas Staaten zukommen.

(Copyright St. Galler Tagblatt, 15.4.08)

Koalition steht, Unruhen gehen weiter


Es war erst ein paar Stunden her, dass Präsident Mwai Kibaki das neue Kabinett vorgestellt hatte. In den Slums der Hauptstadt Nairobi hatten Hunderte bis tief in die Nacht das Ende der schwersten Krise seit der Unabhängigkeit gefeiert. Doch als sie erwachten, war alles wie zuvor. Hunderte Mungiki, Anhänger einer illegalen mafiösen Sekte, errichteten Montagmorgen Barrikaden und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.

Gekämpft wurde in Nairobis Armenvierteln und den Städten Naivasha, Nakuru und Limuru. Mindestens zwölf Menschen starben. Nairobis Hauptstraßen waren stundenlang gesperrt. In der Innenstadt blieben die meisten Büros leer, weil die Matatu genannten Sammeltaxen nicht mehr verkehrten. Erst am Nachmittag sah es so aus, als habe die Polizei zumindest Nairobi wieder unter Kontrolle.

Die Bilder erinnern fatal an den Jahresanfang, als sich Anhänger von Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga gegenseitig umbrachten. Bis heute leben hunderttausende Kenianer fern ihrer Heimat in Lagern, weil sie Angst vor der Rückkehr haben. Die Mungiki, eine kriminelle spirituelle Gruppe ethnischer Kikuyu, sind maßgeblich mit dafür verantwortlich. In den Slums von Nakuru und Naivasha haben sie längst die Herrschaft übernommen und verfolgen Nicht-Kikuyus.

Die Polizei wird der Mungiki nicht Herr, auch weil hochrangige Politiker in die Organisation und ihre Schutzgeldgeschäfte etwa im Transportsektor verstrickt sein sollen. Anlass der Proteste am Montag war angeblich der Mord an der Frau von Mungiki-Chef Maina Njenga. Doch dürfte es auch eine Demonstration der Macht gewesen sein. Denn die will man der endlich vorgestellten großen Koalition, der Kibaki als Präsident und Odinga als Premier vorstehen, nicht kampflos überlassen. "Lasst uns die politischen Differenzen vergessen und mit der Arbeit beginnen", hatte Kibaki in seiner Rede vor dem Präsidentenpalast gefordert. Neben ihm nickte Premier Odinga.

40 Minister hat die neue Regierung, plus Präsident, Premier, Generalstaatsanwalt und 53 Vizeminister. Bürgerrechtler hatten vergeblich auf eine deutlich kleinere Regierung gedrungen. So sitzt jetzt ein Jugendminister neben einer Ministerin für Kinder, ein Gesundheitsminister neben einem für Krankenhäuser. Auf den wichtigen Posten sind fast nur jene zu sehen, die schon seit Jahrzehnten mitregieren.

Viele Schlüsselpositionen - Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Finanzministerium - bleiben in der Hand von Kibaki-Anhängern. Odingas Leute müssen sich meist mit den B-Posten begnügen. "Die Einigung hätte besser ausfallen können, aber wir standen unter immensem Druck", rechtfertigte sich am Montag der neue Vizepremier Musalia Mudavadi, ein enger Vertrauter Odingas. Streit ist absehbar. So ist unklar, wer die Regierung führen soll. Während Odinga sich als Premier zuständig fühlt, haben Kibakis Getreue Widerstand angekündigt.

(Copyright die tageszeitung, 15.4.08)

Montag, 14. April 2008

Keine Kritik an Diktator Mugabe


Die Diskussion des Sondergipfels der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) zur Lage in Simbabwe dauerte 13 Stunden, zehn Stunden länger als geplant. Doch als Sambias Außenminister Kabinga Pande gegen fünf Uhr früh am Sonntag in der sambischen Hauptstadt Lusaka vor die Presse trat, gab es dennoch keine Neuigkeiten. "In Simbabwe herrscht nicht im Geringsten eine Krise", bekräftigte Pande die bisherige SADC-Position. Dem Staatenbund gehören Simbabwe und seine 13 Nachbarn im südlichen Afrika an.

Über die Frage "Krise oder nicht" war dem Vernehmen nach die ganze Nacht gestritten worden. Simbabwes umstrittener Präsident Robert Mugabe selbst hielt es nicht einmal für nötig, sich in Lusaka selbst zu verteidigen, und ließ sich von drei Ministern vertreten. Schließlich hatte der mächtigste Mann am Tisch, Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, schon Tage zuvor verlauten lassen, dass es auch mehr als zwei Wochen nach der Stimmabgabe in Simbabwe noch kein Ergebnis der Präsidentenwahl gebe, sei kein Grund zur Sorge: "Wir können in Ruhe abwarten."

Mit dieser Einschätzung stehen Mbeki und seine Amtskollegen ziemlich alleine da. Als Zugeständnis an die Kritik aus dem Westen appellierten sie deshalb an die Wahlbehörde, sie möge die Wahlergebnisse doch zügig veröffentlichen - nach einer genauen Prüfung. Genau die gab Simbabwes Wahlkommission zeitgleich zum Lusaka-Gipfel bekannt: In 23 Wahlkreisen sollen die Stimmen am Samstag neu ausgezählt werden, in 22 davon ist nach Ansicht der regierenden Zanu-PF das Ergebnis zugunsten der Opposition gefälscht worden. Die Kampagne gegen angebliche Fälscher im Auftrag der oppositionellen Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) läuft schon seit Tagen: Immer wieder wird im Herald, der einzigen erlaubten Tageszeitung, von Verhaftungen berichtet. Die MDC befürchtet, dass Mugabe mit der "Überprüfung" den Wahlsieg der Opposition im Parlament rückgängig machen will. "Wir werden keine neuen Ergebnisse akzeptieren, die offensichtlich gefälscht sind", so MDC-Sprecher Nelson Chamisa. Heute soll eine Klage gegen die Neuauszählung eingereicht werden.

Der 84-jährige Mugabe, der allen inoffiziellen Ergebnissen zufolge nach 28 Jahren Herrschaft als Staatsoberhaupt abgewählt wurde, regiert weiter wie gehabt. Er verlängerte gesetzeswidrig die Amtszeit seines Kabinetts und ließ alle politischen Demonstrationen verbieten. MDC-Chef Morgan Tsvangirai, der zu einem Generalstreik ab Dienstag aufgerufen hat, warnt vor der Errichtung eines Polizeistaats. "Soldaten verprügeln bereits auf dem Land vermeintliche Oppositionsanhänger." Die Bedingungen für eine mögliche Stichwahl für das Präsidentenamt seien demnach "weder frei noch fair". Während die MDC behauptet, dass Tsvangirai im ersten Wahlgang am 29. März mehr als die nötige absolute Mehrheit der Stimmen gewonnen hat, gehen Wahlbeobachter davon aus, dass er sie knapp verpasst hat.

(Copyright die tageszeitung, 14.4.08)

Freitag, 11. April 2008

Warten auf die Zeit nach Mugabe


Auf ein unsichtbares Zeichen hin rennen auf einmal alle los. Die Schritte hallen laut wider im Inneren von Eastgate, Harares modernstem Shopping- und Bürokomplex. Wer den Supermarkt erreicht hat, reiht sich geübt in die Schlange ein, die sich binnen Sekunden gebildet hat. "Es soll tatsächlich Brot kommen", flüstert eine Frau und schüttelt ungläubig den Kopf. "Hoffentlich stimmt es diesmal." Zehn Minuten lang passiert nichts, keiner in der Schlange sagt ein Wort. Dann ein Raunen, als zwei Männer tatsächlich vier Plastikkisten mit Toastbrot durch das Foyer in den Laden schieben.

Noch einmal zehn Minuten vergehen, dann kommen vier Angestellte heraus. Einer fragt den Ersten in der Schlange: "Ein Brot kostet 40 Millionen, hast Du genug Geld dabei?" Der Mann nickt, der Angestellte sagt: "Nur eins, nicht mehr", dann darf der Glückliche eintreten. Fünfzig Brote später ist der Zauber vorbei, der Rest der Schlange löst sich schnell auf. Zwei Jungen laufen zwischen den frustrierten Büroangestellten herum und flüstern: "Wollen Sie ein Brot kaufen? Nur 80 Millionen." Die meisten schütteln den Kopf. 80 Millionen simbabwische Dollar, zum Schwarzmarktkurs knapp 1,50 Euro, das ist für viele ein Fünftel des Monatsgehalts.

Eastgate liegt mitten im Zentrum von Simbabwes Hauptstadt Harare, Zweite Straße Ecke Robert Mugabe Avenue. Das Gebäude galt bei der Einweihung vor mehr als zehn Jahren als architektonisches Weltwunder, wegen seiner natürlichen Klimaanlage. Ein System von Röhren und Kanälen sorgt dafür, dass der Bau mit rund 5 500 Quadratmetern Verkaufsfläche und 26 000 Quadratmetern für Büroräume quasi von selbst seine Temperatur hält. Nachempfunden ist das Prinzip einem Termitenbau. Doch die ruhmreiche Vergangenheit von Simbabwe und von Eastgate ist lange vorbei.

"Wir waren so weit vorne, wir waren die Vorzeigenation Afrikas", erinnert sich Franklin, ein Bankangestellter im Eastgate, wehmütig. "Und wo sind wir jetzt? Die Läden sind leer, nicht einmal Strom gibt es. Unser Land steht am Abgrund." Dass es einmal so viel besser war, macht den tristen Alltag in Harare für viele noch deprimierender.

Doch dass Franklin, der wie die meisten in Simbabwe seinen vollen Namen nicht gedruckt sehen will, solche Sätze offen sagt, ist alleine schon ein Zeichen des Wandels. Seit den Wahlen vor fast vierzehn Tagen, bei denen die Opposition die Mehrheit im Parlament gewonnen hat, ist die Angst vor der allgegenwärtigen Geheimpolizei, dem CIO, bei vielen abgeflaut. Zwar flüstern viele noch, wenn sie über die Regierung sprechen. Den Namen von Präsident Robert Mugabe, der sich an die Macht klammert und dessen Partei die Verkündung des Wahlergebnisses hinauszögert und eine Nachzählung der Stimmen fordert, nehmen die wenigsten in den Mund. "Aber selbst der Geheimdienst ist gespalten, deshalb rede ich mittlerweile auf offener Straße über Politik", sagt der Unternehmensberater Gibson.

Seinen Namen freilich will auch er geheim halten. Dafür teilt der ehemalige Unternehmer, dem Mugabes Partei ZANU-PF schon einmal erfolglos einen Ministerposten angeboten haben soll, freimütig sein Wissen. "Mugabe und die Polizeiführung wollten schon vor Tagen Unruhen in Harare schüren." Doch die jungen Polizeioffiziere eine Ebene tiefer seien nicht dazu bereit gewesen: "Die haben gesagt: Wenn Mugabe Leute umbringen will, dann soll er sich ein Maschinengewehr nehmen und selbst auf die Straße gehen, wir tun es nicht", sagt Gibson und lacht. Die Zeichen mehren sich, dass selbst die Unterstützung durch Polizei und Militär bröckelt, die bisher die unerschütterliche Basis für Mugabes Machterhalt waren.

Diejenigen, die in Mbare leben, der ältesten Armensiedlung der Stadt, haben schon lange keine Zweifel mehr daran, dass der seit der Unabhängigkeit regierende 84-jährige Präsident endlich abtreten muss. "Es gibt keine Baustellen und auch sonst keine Arbeit, deshalb bleiben die Leute hier", erklärt Robert, der auf seinem Lastwagen sonst Arbeiter zu Baustellen fährt. Jetzt liegt er im Schatten des Lkw, rechnet nicht damit, dass er bald aufbrechen muss.

Selbst für die Glücklichen, die eine Stelle haben, ist es schwer. "Zur Arbeit und zurück kostet mich der Bus heute 35 Millionen simbabwische Dollar", beschwert sich Gloria, die am Straßenrand auf einen der nur selten vorbeikommenden Busse wartet. "Und morgen ist es vielleicht schon wieder teurer, mindestens zwei Mal die Woche wird der Preis hochgesetzt, weil der Benzinpreis täglich steigt." Obwohl ihr Arbeitgeber Gloria einen Zuschuss zu den Fahrtkosten zahlt, muss sie oft laufen. "Für den einfachen Weg brauche ich drei Stunden", klagt sie. Ihre kleine Tochter sieht sie an solchen Tagen nur schlafend.

Mbare ist eine Hochburg der simbabwischen Opposition, weswegen Mugabe vor drei Jahren Hunderttausende von hier vertreiben ließ. In der Operation "Murambatsvina", das Shona-Wort für Müllabfuhr, rissen Bulldozer mitten im Winter tausende Hütten ab, die meisten Bewohner flohen aufs Land. Wer blieb, der hat bei dieser Wahl für die oppositionelle "Bewegung für demokratischen Wandel" (MDC) und ihren Chef, den langjährigen Regimekritiker Morgan Tsvangirai, gestimmt. An dessen Sieg glauben nicht nur hier in Mbare alle. Wenn er nicht bald verkündet wird, so warnt der schon grauhaarige George, dann wird ganz Mbare auf die Straße gehen. "Ich werde der erste sein, der gegen Mugabe demonstriert." Doch bislang warten die meisten Bewohner nur ab, nervös, aber tatenlos. Regina, Mutter eines Sohnes, flüstert: "Angeblich bereiten ein paar Leute schon etwas vor, aber Genaues weiß man nicht." Sie hat den ganzen Tag vor einem Laden gestanden und vergebens auf Brot gewartet. Für einen Aufstand scheint sie, wie die meisten, viel zu erschöpft.

Selbst ein Beamter im maßgeschneiderten Anzug, der vor einem Laden seinen schwarzen Mercedes aufschließt und mit einem Bündel 50-Millionen-Dollar-Scheine wedelt, erregt sich. "Maismehl, Zucker oder Pflanzenöl habe ich schon seit Monaten nicht mehr in den Regalen gesehen." Trotzdem hat er erneut für die Regierung gestimmt, gibt er zu. Warum, das sagt er nicht. Aber viele Beamte machen sich zu Recht Sorgen, dass sie nach einem Regierungswechsel die über Jahre angesammelten Privilegien und ihre Arbeit verlieren könnten.

Auch deshalb hat Mugabe bei dieser Wahl selbst nach Ansicht der Opposition mehr als 40 Prozent der Stimmen bekommen, trotz einer Rekordinflation von mehr als 164 000 Prozent. Auch viele Soldaten haben für Mugabe gestimmt, angeblich mussten sie ihre Dienstnummer auf den Wahlzetteln vermerken. Doch ein Luftwaffengeneral ließ im staatlichen Radio vorgestern mitteilen, man werde im Falle eines Falles unparteiisch bleiben. Es ist ein weiteres Zeichen für die Zerrissenheit der kleinen Elite des heruntergewirtschafteten Landes - denn zeitgleich sind andere Generäle aufs Land entsandt worden, um Milizen und Soldaten gegen Oppositionsanhänger aufzuhetzen. Wo früher weiße Siedler verfolgt wurden, sind jetzt auch Schwarze die Opfer, wenn sie unter dem Verdacht stehen, Oppositionsanhänger zu sein.

"Das Establishment, das sind auch Menschen, wir dürfen sie nicht überschätzen", erklärt der Methodistenpriester Johnny Dube. "Die sind verwirrt, sie können nicht vorwärts und nicht zurück und wissen nicht, was sie als nächstes tun sollen." Dube gehört zu den wenigen, die schon seit Jahren offen gegen die Regierung zu Felde ziehen. In einem Buch hat er den simbabwischen Kirchenverband und seine eigene Kirche beschuldigt, das System zu stützen. Dabei, glaubt er, könnten die Kirchen ein entscheidender Faktor zur Veränderung sein. "Wir sind überall im Land, auch da, wo die Politiker nur einmal vor der Wahl hingehen und dann nie wieder." Doch auch jetzt schweigen die Pfarrer. "Dabei stehen wir vor einem Umschwung, und wir hätten seine Speerspitze sein können."

In all der Unsicherheit hat sich dennoch eine Zuversicht ausgebreitet, die es vorher nicht gab. "Es kann einfach nicht so weiter gehen", sagt der Unternehmensberater Gibson. Früher oder später, so glaubt er, wird das System implodieren. Es gebe Anzeichen dafür, dass ein Großteil der Elite sich ins Ausland absetzen will. "Die wollen, dass die absehbare Stichwahl um das Präsidentenamt erst in drei Monaten stattfindet, damit sie Zeit genug haben, abzuziehen." Dafür spricht auch, dass die Regierung gerade noch einmal die Summe verringert hat, die täglich bei den Banken abgehoben werden darf. Eine Milliarde simbabwischer Dollar pro Tag, etwa 17 Euro, sind jetzt die Obergrenze. So viel haben die wenigsten Simbabwer, aber als Stopp für eine Kapitalflucht der Reichen und Mächtigen ist das Verbot effektiv.

Dass Mugabe die Wahl bei einer Stichwahl in drei Monaten gewinnen würde, ist für Gibson ein Ding der Unmöglichkeit. "Auf den wenigen bestellten Feldern erwarten wir eine Missernte wegen Düngermangels und Dauerregens, in drei Monaten hungert das ganze Land."

(Copyright Berliner Zeitung, 11.4.08)

Montag, 7. April 2008

Französische Luxusjacht vor Somalia entführt


Die Kreuzfahrt durch die Trauminselwelt der Seychellen verlief nach Plan. Doch auf der Rückreise wurde die in Frankreich registrierte "Ponant", ein für 64 Passagiere ausgelegter luxuriöser Dreimaster, von Piraten geentert. Seit Freitag kreuzt die Jacht vor der Küste Somalias, verfolgt von einer Fregatte der französischen Marine. "Wir versuchen, die Krise friedlich beizulegen", kündigte Frankreichs Premier Fillon an. "Unser wichtigstes Ziel ist es, das Leben der Besatzung zu schützen."

Über das Schicksal der dreißig Männer aus Frankreich und der Ukraine war bis zum Sonntag nichts bekannt. Die Forderungen der Piraten wurden nicht öffentlich, doch dürften sie ein hohes Lösegeld verlangen. "Die Idee ist, die Schiffe hunderte Meilen vor der Küste aufzubringen, sie in somalische Hoheitsgewässer zu entführen und erst wieder freizugeben, wenn der Eigentümer bezahlt hat", bilanziert Pottengal Mukundan, Direktor des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB). Die vom IMB geführte Statistik über Piraterie in den Weltmeeren führt für das vergangene Jahr 31 Angriffe vor Somalia auf, dazu kamen 11 Schiffsentführungen. Nirgendwo sonst auf See ist es so gefährlich, obwohl die UN in ihren Empfehlungen einen Mindestabstand zur somalischen Küste von mindestens 200 Seemeilen statt der üblichen 50 anmahnen und Marineschiffe in der Region patrouillieren.

Doch die mit Maschinengewehren und Raketenwerfern bewaffneten Seeräuber haben weit von Somalias Küste entfernt sogar Mutterschiffe verankert, von denen Schnellboote zum Angriff ausschwärmen. An Land haben die Soldaten sowieso nichts zu befürchten: Nach 17 Jahren ohne funktionierende Zentralregierung gibt es keine Küstenwache, lokale Milizen können leicht mit Anteilen der riesigen Lösegelder geschmiert werden.

Die fließen immer, weiß Mukundan. Erst vor drei Wochen zahlten die Eigentümer eines dänischen Schiffs fast 500.000 Euro Lösegeld. "Solche Zahlungen ermutigen die Piraten nur", wetterte der Fischereiminister der Puntland-Region an Afrikas Horn, Achmed Said Aw-Nur. Doch ein Rezept, die Piraten aufzuhalten, hat er nicht. Die Islamisten, die als Einzige der Piraterie für ein halbes Jahr Einhalt geboten, führen derzeit einen Guerillakrieg gegen Somalias zerstrittene Übergangsregierung. Deren Idee, die Küste durch eine US-Sicherheitsfirma bewachen zu lassen, scheiterte an den Kosten von 50 Millionen US-Dollar.

Viele Somalier machen die heutigen Opfer für die Piraterie verantwortlich. "Nach dem Zusammenbruch des Staats kamen immer mehr illegale Fischtrawler, gegen die sich örtliche Fischer bewaffnet wehrten", erklärt der somalische Fischereiexperte Omar Abdulle Hayle. Dann schmierten die illegalen Fischflotten Warlords an der Küste, die Milizen zur See wurden arbeitslos - und sattelten auf Piraterie um. Mukundans IMB wirft Hayle Doppelzüngigkeit vor: "Niemand hat protestiert, als die somalischen Gewässer ausgebeutet wurden."

(Copyright die tageszeitung, 7.4.08)