Dienstag, 14. August 2007

Wo das Wasser in die Falle geht


Wo sonst der Kiboko fließt, treibt der Wind Sand und Staub vor sich her. Das Rumpeln der Trucks, die die nahe Brücke überqueren, hallt dumpf vom leeren Flussbett wider. "Der letzte Regen ist hier vor neun Monaten gefallen", erklärt Peter Njoroge, der in der Gegend um Makueni für die Deutsche Welthungerhilfe arbeitet. Fast alle Flüsse hier sind trockengefallen. Für die Bewohner der weiten Ebene im Niemandsland von Kenia ist das nichts Ungewöhnliches: Allenfalls zwei Mal im Jahr regnet es hier im Niemandsland zwischen Kenias Hauptstadt Nairobi und der Hafenstadt Mombasa. Den Rest der Zeit ist es heiß und trocken. Dass die große Regenzeit im Mai dieses Jahres ausgefallen ist, hat die Lage noch verschlimmert. Wasser ist Mangelware.

Juliana Kinibios Hof liegt sechs Kilometer vom nächsten Wasserloch entfernt. Die 45-Jährige hat sieben Kinder, ihr Mann ist seit zehn Jahren tot. Auf dem roten, staubigen Boden vor ihren Hütten baut sie Mais an und das hirseähnliche Sorghum. Zudem hält sie ein paar Hühner. "Ohne Wasser überlebt hier nichts und niemand", sagt sie und schaut auf die dornigen Zweige, die um den Hof herum aufgeschichtet sind und vor wilden Tieren schützen sollen. "Sechs Kilometer durch den Busch, das ist ein weiter Weg. Manchmal habe ich an einem Tag nicht mehr als einen 20-Liter-Kanister hierher tragen können, weil ich nach dem Marsch durch die pralle Sonne so erschöpft war." Dabei braucht ihre Familie eigentlich fünfmal so viel Wasser - zum Trinken, Kochen und Waschen. Wasser für Vieh und Getreide ist da nicht eingerechnet. Doch Juliana Kinibio hatte Glück.

Seit einem Jahr hat sich ihr Leben radikal verändert. "Jetzt stehe ich morgens auf, schnappe mir meine Kanister und bin kurze Zeit später mit genug Wasser für den ganzen Tag zurück." Die Quelle des Wassers ist von hier aus gut zu sehen: ein Berg aus Granit, der im Sonnenlicht glänzt. Die hier lebenden Kamba nennen ihn Uvilio, Handfläche.

Am Fuß des Bergs stehen Frauen und Kinder in einer langen Reihe vor einer Holzhütte und warten geduldig, dass Peter Kioko ihre Kanister auffüllt. Der alte Mann dreht den Hahn erst auf, wenn die Kunden bezahlt haben: 20 Liter Wasser kosten 2 Kenianische Schilling, etwa 3 Euro-Cent. "Das Geld ist dazu da, um die Anlage in Schuss zu halten", erklärt Kioko, zeigt auf den Berg und lacht. "Da oben machen wir aus Granit Wasser." Dreißig bis fünfzig Kunden kommen täglich, am Wochenende noch mehr. Dass das Wasser ausgehen könnte, befürchtet Kioko trotz der seit neun Monate anhaltenden Dürre nicht. "Die Hälfte der Tanks ist noch voll, das wird bis zum Regen im November reichen."

Acht solcher Tanks stehen am Fuß des Uvilio-Bergs. Nach der letzten Regenzeit waren sie alle voll: mit Regenwasser, das früher im Boden versickert ist. Welthungerhilfe-Mann Njoroge strahlt. "Es ist eigentlich ganz einfach: Wir nutzen den Berg, um Regenwasser zu ernten." Dazu haben Arbeiter den Berg radikal umgestaltet, nach Anweisungen eines Wasserbauingenieurs. "Da, wo das Wasser sonst die Flanken herunterfließt, werden Mauern gebaut, so dass das abfließende Regenwasser ungelenkt wird", beschreibt Njoroge den Prozess. Die wie ein Labyrinth über den Berg verteilten Mauern sind aus Natursteinen gebaut, aber mit Beton verstärkt: Weil die seltenen Regengüsse in den Subtropen so heftig sind, müssen die Mauern einiges aushalten. Das Gleiche gilt für das Reservoir, in dem das Wasser schließlich landet. "Von hier fließt das Wasser dann noch durch einen groben Filter aus Kieselsteinen, weiter in Rohre und schließlich in die Tanks."

Anders als in den überdimensionalen Wassertonnen, die in Afrika derzeit vor allem an Schulgebäuden installiert werden, lassen sich mit solchen Bergwasserfängen Mengen an Wasser gewinnen, die ganze Dörfer versorgen können. Die Tanks von Uvilio haben zusammen eine Kapazität von 900 Kubikmetern und versorgen eine Gegend, in der es in weitem Umkreis weder permanente Flüsse noch Wasserlöcher gibt. Gut ist das vor allem für die Frauen und Kinder, die in Kenia traditionell für das Wasserholen zuständig sind. Die 21-jährige Alfe Kumundi ist hellauf begeistert, auch wenn sie den schweren 20-Liter-Kanister immer noch zwei Kilometer weit auf ihrem Rücken tragen muss. "Im letzten Jahr musste ich viel weiter laufen, jetzt habe ich wieder Zeit, zur Schule zu gehen." Für das fünfjährige Mädchen, das mit einer Fünf-Liter-Flasche ansteht, bedeutet die neue Wasserstelle mehr Zeit zum Spielen - und weniger Krankheiten. "Das trübe Wasser aus den Wasserlöchern ist oft voller Bakterien, vor allem die Kinder hatten ständig Durchfall und andere Krankheiten", erinnert sich Peter Kioko. Die Zahl der Erkrankten sei im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. "Alle erzählen, dass es weniger Kranke gibt."

Doch nicht alles ist eitel Sonnenschein. Christina Mwanggangi, die wie Njoroge für die Welthungerhilfe arbeitet, musste vor dem Bau des Bergreservoirs viele Skeptiker überzeugen. "Da war zunächst mal das Land am Fuß des Berges, das wegen des abfließenden Regens natürlich fruchtbar ist und Bauern gehörte." Bei Treffen mit der Bevölkerung mussten diese Landbesitzer vom Sinn des Projekts ebenso überzeugt werden wie diejenigen, die beim Bau Hand anlegen mussten. "Wir haben eine klare Philosophie: Wir bezahlen Baumaterialien wie Beton, aber was es lokal gibt, etwa Sand und Steine, muss von der Bevölkerung besorgt werden." Das Gleiche gilt für Arbeitskraft: Die Welthungerhilfe zahlt die Handwerker - die vielen ungelernten Arbeiter, die für den Bau benötigt werden, rekrutieren sich aus Freiwilligen. Doch wirkliche Probleme hat es bei den acht Bergwasserfängen, die bisher rund um Makueni entstanden, nicht gegeben. "Wenn die Leute erst mal überzeugt sind, dass es funktioniert, machen sie mit." Selbst der traditionelle Priester, der den jahrhundertealten Schrein am Fuß des Berges bewacht, gab schließlich sein Einverständnis. Die meisten der über das Land verteilten Inselberge gelten der einen oder anderen Gemeinde als Heiligtum.

Für die Unterhaltung der Anlage sind die Nutzer selbst verantwortlich. "Die Anlagen sind so gebaut, dass sie jeder kenianische Handwerker reparieren kann", versichert Peter Njoroge. Auf diese Weise sollen die Anlagen auch dann weiterlaufen, wenn die ausländischen Geldgeber längst schon wieder abgezogen sind. Ökologische Bedenken hat Njoroge nicht. "Die Berge sind kahl, wir fällen keine Bäume und vertreiben keine Tiere." Für die Bewohner gibt es zudem wenig Alternativen zur Wassergewinnung: Brunnen etwa bringen in Mkueni nichts, weil das wenige Grundwasser versalzen ist.

Dass die Nutzung von Regenwasser eine große Zukunft hat, glaubt auch das UN-Umweltprogramm Unep. "Selbst ein vergleichsweise trockenes Land wie Kenia hat das Potenzial, mit dem hiesigen Niederschlag sechs- bis siebenmal mehr Wasser zu gewinnen, als die Bevölkerung braucht", zitiert Unep-Chef Achim Steiner aus einer aktuellen Studie. Dabei sei klar, dass nicht alles Regenwasser nur für menschliche Bedürfnisse genutzt werden könne. "Aber gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels brauchen wir eine breite Palette von Möglichkeiten zur Gewinnung und Lagerung von Wasser. Und Regenwasser spielt dabei eine wichtige Rolle."

Njoroge und sein Team suchen deshalb bereits nach neuen Inselbergen. Mindestens 35 Stück, so glaubt er, sind in der Gegend von Makueni für den Bau neuer Regenwasserfallen geeignet. "Besonders wichtig ist das Gestein. Es muss hart sein, damit das Wasser nicht versickert." Dass die seltsamen Labyrinthe auf den Bergen funktionieren, hat sich herumgesprochen. Manche Gemeinden, sagt Njoroge mit einem Lächeln, fangen schon einmal ungefragt mit Vorarbeiten an: um einen Bergwasserfang in ihrer Nähe zu sichern.

(Copyright die tageszeitung, 11.8.07)

«Schwere Kriegsverbrechen» in Somalia


Die Kämpfe Ende März dauerten nur vier Tage, aber es waren die schwersten, die Somalias Hauptstadt seit langem gesehen hatte. «Die regierungsfeindlichen Kräfte haben sich bewusst in dicht bevölkerten Vierteln Mogadischus verschanzt und die Bewohner als Schutzschilde missbraucht», erklärt Tom Porteous von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. «Und obwohl ihnen klar war, dass es eine hohe Zahl ziviler Opfer geben würde, hat die mit der Übergangsregierung verbündete äthiopische Armee die Viertel daraufhin mit Raketen und schwerem Geschütz Stück für Stück bombardiert.» Für beides gibt es dem Menschenrechtler zufolge nur ein Wort: Kriegsverbrechen.

In einem Bericht, dem 100 Interviews mit Augenzeugen zugrunde liegen, hat Human Rights Watch den Verlauf der Kämpfe Ende März sowie ähnlich schwerer Gefechte Ende April rekonstruiert. Das Ergebnis: Alle Seiten haben internationales humanitäres Recht gebrochen › doch niemand interessiert sich dafür. «Weder die USA noch die EU, beides wichtige Geberländer in Äthiopien und Somalia, haben die Vorfälle lautstark kritisiert.» Vom UNO-Sicherheitsrat, der gestern Abend über die Lage in Somalia diskutieren sollte, forderte Porteous die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission.

Bomben auf Spitäler

Den regierungsfeindlichen Kräften › Sympathisanten der von Übergangsregierung und äthiopischer Armee Ende des Jahres verjagter Islamisten und Milizen des grössten Clans in Mogadischu, der Hawiye › wirft Human Rights Watch vor, bei ihren Anschlägen zivile Opfer bewusst in Kauf zu nehmen. Die äthiopische Armee habe drei Hospitäler gezielt bombardiert und zwei von ihnen geplündert. «Die Spitäler stechen im Stadtbild deutlich heraus, das war kein Versehen», so Porteous. Die somalische Übergangsregierung schliesslich sei nicht ihrer Pflicht nachgekommen, die Zivilbevölkerung vor dem Beginn von Gefechten zu warnen. «Bis heute nehmen die Regierungstruppen zudem unter Generalverdacht junge Männer fest, die oftmals verschleppt und miss- handelt werden.»

Mindestens mehrere hundert, vermutlich mehr als tausend Menschen seien im März und April ums Leben gekommen, schätzt Porteous. Die Gefechte nennt er die schlimms- ten seit der Flucht des Diktators Siad Barre 1991: «Schwere Waffen wie etwa Katjuscha-Raketen, die die äthiopische Armee eingesetzt hat, sind in Somalia seit 16 Jahren nicht benutzt worden.» Zwar hätten die Kämpfe an Intensität inzwischen abgenommen, doch noch immer leide die Zivilbevölkerung unter den nicht enden wollenden Gefechten. Die UNO schätzt die Zahl der Flüchtlinge, die im Umland von Mogadischu leben, auf mehr als 300 000, ein Drittel der Bevölkerung.

Zunehmend geraten ausserdem kritische Stimmen ins Visier der kämpfenden Parteien: Am Wochenende wurden zwei Radiojournalis- ten ermordet, ein Moderator und ein Mitbesitzer des Privatsenders HornAfrik. Somalias Journalistengewerkschaft spricht von einer gezielten Kampagne gegen den unabhängigen Journalismus im Land.

«Evakuierung geht täglich weiter»

Regierungssprecher Abdi Gobdon kritisierte die Vorwürfe gestern als gegenstandslos. «Human Rights Watch erfindet wie üblich Märchen, um die Weltöffentlichkeit irre zu führen», blaffte der äthiopische Präsidentenberater Simon Bereket noch eine Tonart schärfer. Doch humanitäre Helfer in Mogadischu, die die Opfer der Kämpfe versorgen, bestätigen die Düsternis der Lage: «Die Evakuierung Mogadischus geht täglich weiter, man könnte heulen», erklärt der Direktor der Diakonie-Partnerorganisation Daryeel Bulsho Guud, Abukar Sheikh Ali. Eine schnelle Lösung, so glaubt er, ist derzeit trotz einer vom Westen finanzierten Versöhnungskonferenz nicht absehbar.

(Copyright Aargauer Zeitung, 14.7.07)

Montag, 13. August 2007

Der Star-Rebell von Darfur


Heute will Suleiman Jamous es wagen: Der Mann, mit dem Hollywood-Star Mia Farrow nach eigenem Bekunden gern den Platz tauschen würde, möchte das UN-Krankenhaus von Kadugli verlassen und mit der UNO nach Kenia fliegen. Dort sollen Ärzte eine Unterleibserkrankung behandeln, die der 62-Jährige seit 2003 mit sich herumschleppt - damals war der Rebellenkommandant, der sich selbst "humanitärer Koordinator" der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA) nennt, in Haft.

Seit er in Kadugli festgehalten wird, ist Jamous zum Star nicht nur der Rebellenbewegung in Darfur aufgestiegen. "Suleiman Jamous glänzt durch seine unbestreitbare moralische Integrität", schwärmt etwa Unicef-Botschafterin Mia Farrow. Das Schreiben an Sudans Regierung, in dem die Freilassung Jamous' gefordert wird, hat auch Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu unterzeichnet. Vermittler der UNO und und der Afrikanischen Union loben Jamous als Vermittler für einen Frieden zwischen Rebellen und den Kräften der Regierung in Khartoum.

Jamous hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Nach dem Putsch von Sudans Präsident Omar al-Baschir schloss er sich seiner Regierung an und galt als Islamist. Später wurde Jamous, der zur Zaghawa-Ethnie gehört, als einer von wenigen Intellektuellen Mitglied der SLA. Er war dafür zuständig, dass die humanitäre Hilfe die Bevölkerung in Darfur erreichte - und die Waffenlieferungen die Rebellen. Dass Jamous tatsächlich "nie eine Waffe in der Hand hielt" (Jamous über Jamous), ist mehr als unwahrscheinlich.

Als sich die SLA 2005 spaltete, schloss Jamous sich der Fraktion Minni Minnawis, ebenfalls Zaghawa, an. Doch als Minnawi im Mai 2006 einen Friedensvertrag mit Sudans Regierung unterschrieb, zerstritten sich die beiden - Minnawi nahm Jamous fest, die UNO flog ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in sein jetziges Gefängnis in Kadugli. So sauer war die Regierung in Khartum über diesen Schritt, dass sie alle UN-Operationen in Darfur für mehrere Tage unterband. Denn Jamous sitzt nicht untätig im Krankenbett: Nach wie vor gibt er Anweisungen an seine Rebellentruppen in Darfur und im Osten Tschads. Sein Wert als Vermittler in den schwierigen Friedensgesprächen, die in den nächsten Monaten beginnen sollen, ist gerade deshalb unbestreitbar.

Jamous ist zudem das medienwirksame Gesicht, das die von Sudans Zentralregierung unterdrückte Bevölkerung in Darfur dringend braucht. Nicht zuletzt zeigt sein Schicksal exemplarisch, wie wenig die Regierung an einer Einigung mit den Rebellen interessiert ist: Sonst wäre der SLA-Mann schon längst frei.

(Copyright die tageszeitung, 13.8.2007)

Samstag, 11. August 2007

Ex-Kindersoldaten an den Wahlurnen


Die Brutalität des Bürgerkrieges in Sierra Leone sorgt bei vielen Einwohnern bis heute für Albträume. Mit Drogen voll gepumpte Kindersoldaten rasten auf Pick-up-Trucks von einem Dorf ins nächste und töteten, misshandelten und vergewaltigten in einer Art Blutrausch. Waffen und Munition wurden durch den Abbau der Diamantenvorkommen im Landesinneren finanziert, Unterstützung kam von Liberias Präsident Charles Taylor. Als der Krieg 2002 endete, waren 50 000 Bewohner des westafrikanischen Staats tot.

Fünf Jahre später wählt Sierra Leone einen neuen Präsidenten und ein Parlament. Es sind die damaligen Kindersoldaten, die dabei heute vermutlich den Ausschlag geben werden. "Wenn man durch das Land reist, sieht man überall Massen von Jugendlichen, die rumhängen - etwas anderes haben sie nicht zu tun", sagt Benedict Sannoh, der für die UN arbeitet. Jobs gibt es nicht: 60 Prozent der Unter-35- Jährigen sind arbeitslos, zwei Drittel der Erwachsenen können weder lesen noch schreiben. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich Zehntausende im Wahlkampf von Parteien als Schläger anwerben ließen - zur Einschüchterung der politischen Gegner.

Die Stimmung bei den Jungwählern, die mehr als die Hälfte der 2,6 Millionen Wähler stellen, ist düster. In der Hauptstadt Freetown lebt die Mehrheit in zerfallenden Slums. Die Inflation galoppiert und könnte Ende 2007 zweistellig werden, befürchtet die Weltbank. Ausländische Investitionen gibt es praktisch nicht. Dafür blüht die Korruption, erst im April empfahl Großbritanniens Entwicklungshilfeagentur, Zuschüsse an Sierra Leones Anti- Korruptionsbüro einzufrieren. Der Grund: Während kleine Sünder verfolgt würden, sahne die Regierung des scheidenden Präsidenten Tejan Kabbah ungehindert ab.

Gewinner der desolaten Stimmung könnte ausgerechnet die Rebellenbewegung sein, die im Krieg am meisten gefürchtet wurde: Die Vereinigte Revolutionäre Front (RUF). In einem politischen Coup ohnegleichen hat sich Ernest Koroma, der die Volkskongresspartei (APC) anführt, die Unterstützung der Erzfeinde von der RUF aus Bürgerkriegszeiten gesichert. Koromas APC, die bei Regionalwahlen vor drei Jahren gut abschnitt, gilt als härtester Gegner von Solomon Berewa von der regierenden Sierra Leonischen Volkspartei (SLPP), dem Wunschnachfolger des Präsidenten. "Viele wollen vor allem gegen die Regierungspartei stimmen, selbst wenn sie die Opposition nicht viel besser finden", sagt ein deutscher Wahlbeobachter.

Wie unsicher der junge Frieden in Sierra Leone immer noch ist, zeigte zuletzt die Entscheidung, den Prozess des von den UN unterstützten Sondertribunals gegen Liberias Ex-Präsident Charles Taylor aus Sicherheitsgründen nach Den Haag zu verlegen. Doch Victor Angelo, Repräsentant des UN-Generalsekretärs in Sierra Leones Hauptstadt, bleibt optimistisch. "Wir sehen die Wahl als ein Signal an ganz Westafrika: Man kann eine nationale Krise haben, sie überwinden und demokratisch in die Zukunft gehen."

(Copyright Zürichsee-Zeitung, 11.8.07)

Dienstag, 7. August 2007

Darfur-Rebellen einigen sich


Einen Tag später als geplant, aber dennoch gut gelaunt, traten die Führer der Darfur-Rebellen am Montag vor die Presse. "Wir haben gemeinsame Positionen erarbeitet, mit denen wir in Friedensgespräche mit Sudans Regierung gehen können", erklärte der Sprecher der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM), Achmed Hussein Adam, zufrieden. Die Chefs der anderen sieben Rebellengruppen nickten. Wenn es nach ihnen geht, können die Verhandlungen mit Khartum beginnen - in den kommenden zwei bis drei Monaten soll es soweit sein.

"Die Rebellen haben ihr Bestes gegeben", lobte der AU-Sonderbeauftragte Salim Achmed Salim die Rebellen. Man befinde sich jetzt in der heißen Phase unmittelbar vor neuen Friedensgesprächen. Die Verständigung auf einen gemeinsamen Forderungskatalog der zerstrittenen Rebellengruppen gilt als ein Schlüssel, um die Kämpfe in der westsudanesischen Krisenregion zu beenden. UN und Afrikanische Union (AU), die ab Freitag zu dem Treffen hinter verschlossenen Türen in einem luxuriösen Ferienclub nahe der tansanischen Stadt Arusha geladen hatten, wollen den Fehler vermeiden, den sie bei den Friedensgesprächen in Nigerias Hauptstadt Abuja vor einem Jahr gemacht haben. Damals drängte die internationale Gemeinschaft auf ein Abkommen um jeden Preis - das dann jedoch nur eine einzige der damals noch drei Rebellengruppen unterschrieb. In der Folge spalteten sich die Rebellen, Kämpfe und Gewalt in Darfur nahmen zu.

Diesmal, wo die diplomatisch unerfahrenen Rebellen sich zumindest untereinander geeinigt haben, soll alles anders werden. Eine der Hauptforderungen der Rebellen sind Entschädigungen für Gemeinden und Einzelpersonen, die durch den seit vier Jahre anhaltenden Konflikt Schaden erlitten haben. Mehr als zwei Millionen Menschen leben in überfüllten Flüchtlingscamps, weil sie vor den Kämpfen geflohen sind. Dazu kommen Garantien für Landbesitz, die Bildung einer von allen Seiten akzeptierten Regionalregierung für Darfur und die Beteiligung der Rebellen an der Regierung in Khartum nach dem Vorbild der südsudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA). Hilfsorganisationen und den vom UN-Sicherheitsrat vor einer Woche beschlossenen 26 000 Blauhelmen sichern die Rebellen schon jetzt freien Zugang in ganz Darfur zu.

Doch bis diese Positionen mit Sudans Regierung diskutiert werden können, scheint es noch ein langer Weg. Einer der einflussreichen Rebellenführer, Abdelwahid el Nuur, hatte seine Teilnahme in letzter Minute ganz abgesagt. "Salim ist ein Lügner, wir akzeptieren ihn nicht als Vermittler", so el Nuur forsch. Außerdem werde die Regierung in Khartum ohnehin jede Einigung hintergehen. 'Wir brauchen keine neuen Resolutionen, wir brauchen die Umsetzung der vorhandenen." Zwar kontrolliert Nurs Fraktion der Sudanesischen Befreiungsarmee nur einen kleinen Teil Darfurs, doch bei den Flüchtlingen genießt er großen Rückhalt. Noch größer aber dürfte der Widerstand in Khartum sein. Sudans Regierung, die sich zunächst nicht zu der Einigung äußerte, hatte öffentlich immer Gesprächsbereitschaft mit den Rebellen angekündigt. Zugleich weigert sie sich aber, den Inhalt des vor einem Jahr in Abuja unterschriebenen Friedensabkommens neu zu verhandeln. Doch das dürfte unumgänglich sein, wenn es wirkliche Fortschritte geben soll.

Gezielte Ansiedlung von Arabern

Dass Sudans Regime nicht sonderlich kompromissbereit ist, bewies am Wochenende die Abwesenheit des einflussreichen Rebellenkommandeurs Suleiman Jamous. Jamous steht im Sudan praktisch unter Arrest. Auch Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu hält Jamous für eine Schlüsselfigur und fordert dessen Teilnahme.

Doch Khartum weigert sich bislang einzulenken. Ein vertraulicher UN-Bericht, der am Montag bekannt wurde, wirft Khartum zudem vor, tausende ethnische Araber aus Nachbarländern gezielt in Darfur anzusiedeln und damit die schwarzafrikanischen Rebellen zu schwächen.

(Copyright Berliner Zeitung, 7.8.07)

Montag, 6. August 2007

Wahlkampf in Nairobi nimmt an Härte zu


Für Kenias 222 Abgeordnete ist es die vielleicht letzte Chance, sehr viel Geld einzustreichen - und um diese Gelegenheit wird seit einer Woche mit ungewohnt harten Bandagen gekämpft. Sechs Millionen Kenianische Schillinge steuerfreie Abfindung wollen Kenias Parlamentarier sich ein halbes Jahr vor den allgemeinen Wahlen gönnen, das sind umgerechnet 64.000 Euro pro Kopf. "Eine Schande ist das in einem Land, in dem die meisten Menschen in Armut leben", wettert Miriam Kahiga von amnesty international in Kenia. Immerhin bekommt jeder Abgeordnete ohnehin schon pro Monat eine halbe Million Schillinge plus Zulagen - in Kenia ein Traumgehalt.

Mehr als 92 Prozent der Kenianer, so eine aktuelle Umfrage, sind gegen die Sonderzahlung. Doch die meisten Politiker scheinen entschlossen, das umstrittene Millionenpaket dennoch durch das Parlament zu bringen. Manche der Abgeordneten haben Angst, im Dezember nicht wieder gewählt zu werden, die meisten brauchen dringend Cash, um ihren Wahlkampf zu finanzieren. Hunderte Kenianern, die die Selbstbedienungsmentalität ihrer Volksvertreter normalerweise klaglos akzeptieren, marschierten vergangene Woche in Richtung Parlament. Weit kamen sie nicht, die Polizei griff mit ungebremster Brutalität ein. "Die Polizei hat Tränengas eingesetzt, Demonstranten verprügelt, sie die Treppen heruntergeworfen und dann die Organisatoren festgenommen", so Kahiga. Die Menschenrechtlerin sieht darin eine schwerwiegende Unterdrückung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Eine der misshandelten Aktivistinnen wurde kurze Zeit später von Kenias Gesundheitsministerin Charity Ngilu höchstpersönlich befreit (siehe Seite 2). Auf Anweisung von ganz oben, so heißt es, versuchte die Polizei später am Abend, einen anderen Aktivisten in ein sichereres Gefängnis zu verlegen. Doch als die Beamten in der Stadt mit Tempo 100 auf der falschen Straßenseite zu ihrem Ziel unterwegs waren, kollidierten sie mit einem Minibus. Der Demonstrant musste 24 Stunden im Krankenhaus versorgt werden, bevor die Polizei ihn wieder einsperrte.

Zwar hat Kenias oberster Gerichtshof inzwischen alle Festnahmen als unrechtmäßig verurteilt. Doch noch während die Demonstranten freigelassen wurden, setzte die Polizei bereits bei einem neuen Protest vor dem Parlament Tränengas ein. Miriam Kahiga glaubt nicht, dass die Staatsmacht die Gewalt bis zur Wahl noch zügeln wird. "Die Regierung hat Panik, dass ihre Abgeordneten nicht wiedergewählt werden." Präsident Mwai Kibaki habe zudem nicht mehr alle Zügel in der Hand. "Die Polizei und Sicherheitsminister John Michuki haben jeden Kontakt zur Realität verloren."

In Kenia lassen solche Vorwürfe alte Gespenster wieder auferstehen. In den späten 80er- und 90er-Jahren, als der Autokrat Daniel arap Moi mit aller Kraft an der Macht festhielt, war die Geheimpolizei für ihre Folterungen und Auftragsmorde berüchtigt. Der Oppositionelle Kibaki war 2002 gewählt worden, um diesem Schrecken ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.

(Copyright die tageszeitung, 6.8.07)