Samstag, 21. März 2009

Papst zelebriert afrikanische Identität


Als Papst Benedikt XVI. am Freitag feierlich von Angolas Präsident Eduardo dos Santos am Flughafen von Luanda empfangen wird, feiern die Jugendlichen in Sambizanga, einem Slum der Hauptstadt, schon seit mehr als sechs Stunden. Kurz nach Sonnenaufgang heizten lokale Musikgrößen tausenden jungen Leuten ein. Immer wieder unterbrechen "Papa, Papa"-Rufe die Rhythmen. "Es ist wie ein Wunder, der Papst kommt zu uns und wird uns segnen", freut sich Julieta. Am Sonntag will sie wie alle hier dabei sein, wenn der 81-jährige Papst den größten Gottesdienst in der Innenstadt hält.

Über mangelnde Euphorie bei seiner Afrikareise kann Benedikt sich nicht beschweren. Wie in Angola, so jubelten auch in Kameruns Hauptstadt Jaunde zehntausende Gläubige, als der Papst am Donnerstag in einem Stadion die Messe las. Für viele fand er den richtigen Ton: "Afrika ist ein Kontinent der Hoffnung, der durch die Tyrannei des Materialismus gefährdet wird." Für solche Sätze, die das Leid der meist armen Besucher auffingen, jubeln sie. Ein Bericht des Vatikans geht noch weiter: Darin heißt es, multinationale Kräfte beuteten den Kontinent gemeinsam mit skrupellosen Politikern aus. "Dies ist ein Prozess, der im Namen der Moderne die afrikanische Identität zerstören will."

Solche Zitate lassen ahnen, wie der Papst die katholische Kirche in Afrika positionieren will: Mehr afrikanische Identität soll im Kampf gegen den Islam wie die boomenden Pfingstkirchen helfen. Zwar leben bald die meisten Katholiken in Afrika: 149 Millionen sollen es sein, vor 30 Jahren war es noch ein Drittel. Doch trotz dieser Zunahme wächst die Konkurrenz noch schneller: Auf 147 Millionen schätzt das Pew-Forum in Afrika die evangelikalen Christen. Auch der Islam, seine Anhänger werden auf 400.000 geschätzt, wächst - nicht zuletzt dank einer aus Saudi-Arabien und Libyen finanzierten Missionsbewegung. Zwar predigte Benedikt XVI. bei einem Treffen mit 22 kamerunischen Imamen Toleranz und das Ende religiöser Auseinandersetzungen. Doch die im Herbst in Rom angesetzte Afrika-Synode soll auch beraten, wie die katholische Kirche die Macht auf ihrem Zukunftskontinent sichern kann.

Längst nicht alle jubeln dem Papst bei seinem ersten Afrikabesuch zu: Oppositionsanhänger werfen ihm vor, das wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption verfehmte Regime von Präsident Paul Biya nicht klar genug zu kritisieren. "Wir erleben hier in Kamerun einen Verfall der Werte", sagte Oppositionsführer John Fru Ndi. "Wir brauchen einen spirituell beflügelten Neuanfang."

Viele Bürgerrechtsgruppen Kameruns haben ihre Wurzeln in der katholischen Kirche. Doch der Papst nutzte seinen Besuch im Präsidentenpalast vor allem, um Präsident samt Familie zu segnen. In Angola, wo Ölgelder verschwinden und die Masse der Bevölkerung hungert, befürchten Papstkritiker eine ähnliche Sprachlosigkeit. Und während die Bevölkerung sich am Papstkommentar zu Kondomen nicht sonderlich stört, sind Aktivisten sauer. "In welchem Jahrhundert lebt der Papst eigentlich?", fragt Aids-Aktivist Alain Fogué. "Von 100 Katholiken benutzen doch mindestens 99 Kondome, und das ist auch gut so."

(Copyright die tageszeitung, 21.3.09)

Mittwoch, 11. März 2009

Kontinent meistbietend zu verkaufen


Tröstende Worte hatte IWF-Chef Dominic Strauss-Kahn für die Finanzminister und Funktionsträger aus Afrika in der tansanischen Hafenstadt nicht übrig: "Auch wenn es gedauert hat, bis die Krise Afrika erreicht hat: Sie kommt, und ihre Folgen werden schwer sein." Strauss-Kahn sprach seine Warnung auf dem Gipfeltreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus, der am Dienstag in Daressalam begann. "Afrikas Aufschwung wird enden, Millionen werden erneut verarmen", sagte der IWF-Chef. Schon die bislang befürchtete Halbierung des afrikanischen Wirtschaftswachstums auf 3 Prozent sei kaum zu halten, so Strauss-Kahn.

Vor allem Afrikas reichere Nationen spüren die Krise schon seit Monaten. Händeringend suchen Regierungen nach neuen Einnahmequellen - und haben eine der letzten begehrten Ressourcen entdeckt, die ihnen noch zum Verkauf bleibt: Land. Weil Erz- und Ölpreise gesunken sind, Investoren und Touristen ausbleiben und afrikanische Auswanderer immer weniger Geld aus dem Ausland nach Hause überweisen können, klingen die Angebote vor allem aus Asien und Arabien immer attraktiver. Schon in wenigen Wochen wird der saudische Konzern Hadco auf seinen Feldern im Sudan die erste Ernte einfahren. Gemüse, Weizen und Viehfutter von 10.000 Hektar Land sollen helfen, den seit Jahren steigenden Bedarf an Lebensmitteln in Saudi-Arabien zu decken. Für das Land an den fruchtbaren Bänken des Nils hat Hadco unbestätigten Informationen zufolge 95 Millionen US-Dollar Pacht an die Regierung in Khartum gezahlt - und mehr Geld soll folgen. Sudans Regierung hat den Golfstaaten angeblich bereits 900.000 Hektar bestes Farmland zugesagt, für 99 Jahre Pacht. Offiziell will das in Khartum freilich niemand bestätigen. Denn der Verkauf von Ackerland an ausländische Investoren ist bei den Bürgern, fast überall in Afrika überwiegend Kleinbauern, nicht sonderlich beliebt. Am höchsten hinaus will der koreanische Mischkonzern Daewoo, der auf Madagaskar Futtermais und Ölpalmen anbauen will. 1,3 Millionen Hektar hat die Regierung des bettelarmen Inselstaats dafür bereitgestellt. In Kenias Tana-Flussdelta sollen 40.000 Hektar Land an den Golfstaat Katar verpachtet werden - zum Anbau von Früchten und Gemüse. Ein Viertel Ersparnis gegenüber dem Weltmarktpreis erwarten die Regierungen, die mit den Verpachtungen praktisch ihr Hoheitsgebiet erweitern. Von "Neokolonialismus" sprechen denn auch Kritiker wie der britische Umweltschützer George Monbiot. "Früher haben die reichen Nationen Kanonenschiffe und Glasperlen eingesetzt, heute sind es Anwälte und Scheckbücher", so Monbiot. "Der Westen will sich mit aller Kraft vor der drohenden Nahrungsmittelkrise retten, auch wenn das heißt, das Menschen anderswo verhungern werden."

Doch diese Kritik teilen nicht alle. Der Nahrungsmittelexperte des UN-Umweltprogramms, Christian Nellemann, betont, es führe kein Weg daran vorbei, die vorhandenen Ackerflächen besser zu bewirtschaften. "Wir müssen auch verhindern, dass mehr als die Hälfte aller geernteten Güter bei Transport und Lagerung verloren gehen", so Nellemann. "Aber wir müssen auch die Ernteerträge erhöhen, wenn wir angesichts des Bevölkerungswachstums die drohende Hungerkrise aufhalten wollen."

Mary Fosi, Staatssekretärin in Kameruns Umweltministerium, bettelt förmlich um Investoren: "Hauptsache, jemand entwickelt unsere Landwirtschaft." Natürlich wäre es schöner, wenn Kamerun Unterstützung beim Aufbau seiner eigenen Landwirtschaft bekäme, sagt Fosi. "Aber wir können es uns eben nicht aussuchen."

(Copyright die tageszeitung, 11.3.09)

Samstag, 7. März 2009

Todesschüsse im Berufsverkehr


Kenias Regierungssprecher Alfred Mutua ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So dachte sich kaum jemand etwas, als er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz über den renommierten Menschenrechtler Oscar Kamau Kingara und seine Organisation herzog. "Die Oscar-Stiftung ist eine Fassade, über die die Mungiki-Sekte sich Geld und Unterstützung vom Ausland beschafft", schäumte Mutua, während Anhänger der Mungiki-Miliz in den Straßen der Hauptstadt Nairobi und anderswo in Kenia gegen die Polizei und ihre systematischen Erschießungen demonstrierten, die Kingara aufgedeckt hatte. Einige Stunden nach Mutuas Pressekonferenz wurden Kingara und sein Kollege John Paul Oulu in ihrem Wagen erschossen, als sie am helllichten Tag mitten in Nairobi im Stau standen.

"Unter den gegebenen Umständen muss man Kenias Polizei für die Morde verdächtigen", ließ der entsetzte UN-Sonderberichterstatter Philip Alston wenige Stunden später in einer Erklärung mitteilen. Der australische UN-Mann fordert eine unabhängige Aufklärung mit Hilfe südafrikanischer oder britischer Spezialisten. Erst eine Woche vorher hatte Alston einen Bericht darüber vorgelegt, wie Todesschwadronen in Kenia im Jahr 2007 hunderte Mungiki-Mitglieder ermordet hatten. Zu seinen Gewährsleuten gehörten auch die beiden Menschenrechtler, die jetzt tot sind.

Schon am Tag, als Alston seinen Bericht vorstellte, war es ihm bange gewesen. "Man hat uns überwachen lassen und Zeugen bedroht, in einem Fall wurde den Bewohnern eines ganzen Vertriebenenlagers der Entzug von Essen für den Fall angedroht, dass man mit uns redet." Alston sprach damals zudem von einem Brief von Präsident Mwai Kibaki, der ihn sehr beunruhigt habe. "Ich kann mir nicht sicher sein, dass unsere Zeugen unbehelligt bleiben werden."

Polizeisprecher Eric Kiraithe wies am gestrigen Freitag den Vorwurf zurück, Kenias Polizei habe mit dem Mord zu tun. "Das waren Kriminelle, die Studentenunruhen anfachen wollten." Nach Kingaras Tod hatten sich Studenten und Sicherheitskräfte Straßenschlachten bis in die Nacht hinein geliefert. Ein Student wurde von der Polizei erschossen. Gestern war die Lage weiter angespannt.

Was Kingara und Alston in ihren Berichten aufgedeckt hatten, ist ein mafiöses System in Kenias Polizei. Mit Kopfschüssen wurden 2007 binnen weniger Monate mehr als 500 junge Männer erschossen. Dahinter steckte eine Todesschwadron namens "Kwe Kwe", die in Absprache mit der Polizeiführung jeden ermordet, der womöglich ein Mitglied der Mungiki sein könnte. Die Mungiki, eine illegale Jugendmiliz des Kikuyu-Volkes in Kenia, zu dem auch Präsident Kibaki gehört, sind unangenehm: die mafiöse Gang, die Schutzgelder erpresst und für Geld Terror walten lässt, schlägt säumigen Schuldnern gerne mal die Köpfe ab. Und doch, so betonte der Menschenrechtler Kingara stets, haben auch sie ein Recht auf einen fairen Prozess.

(Copyright die tageszeitung, 7.3.09)