Samstag, 7. März 2009

Todesschüsse im Berufsverkehr


Kenias Regierungssprecher Alfred Mutua ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. So dachte sich kaum jemand etwas, als er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz über den renommierten Menschenrechtler Oscar Kamau Kingara und seine Organisation herzog. "Die Oscar-Stiftung ist eine Fassade, über die die Mungiki-Sekte sich Geld und Unterstützung vom Ausland beschafft", schäumte Mutua, während Anhänger der Mungiki-Miliz in den Straßen der Hauptstadt Nairobi und anderswo in Kenia gegen die Polizei und ihre systematischen Erschießungen demonstrierten, die Kingara aufgedeckt hatte. Einige Stunden nach Mutuas Pressekonferenz wurden Kingara und sein Kollege John Paul Oulu in ihrem Wagen erschossen, als sie am helllichten Tag mitten in Nairobi im Stau standen.

"Unter den gegebenen Umständen muss man Kenias Polizei für die Morde verdächtigen", ließ der entsetzte UN-Sonderberichterstatter Philip Alston wenige Stunden später in einer Erklärung mitteilen. Der australische UN-Mann fordert eine unabhängige Aufklärung mit Hilfe südafrikanischer oder britischer Spezialisten. Erst eine Woche vorher hatte Alston einen Bericht darüber vorgelegt, wie Todesschwadronen in Kenia im Jahr 2007 hunderte Mungiki-Mitglieder ermordet hatten. Zu seinen Gewährsleuten gehörten auch die beiden Menschenrechtler, die jetzt tot sind.

Schon am Tag, als Alston seinen Bericht vorstellte, war es ihm bange gewesen. "Man hat uns überwachen lassen und Zeugen bedroht, in einem Fall wurde den Bewohnern eines ganzen Vertriebenenlagers der Entzug von Essen für den Fall angedroht, dass man mit uns redet." Alston sprach damals zudem von einem Brief von Präsident Mwai Kibaki, der ihn sehr beunruhigt habe. "Ich kann mir nicht sicher sein, dass unsere Zeugen unbehelligt bleiben werden."

Polizeisprecher Eric Kiraithe wies am gestrigen Freitag den Vorwurf zurück, Kenias Polizei habe mit dem Mord zu tun. "Das waren Kriminelle, die Studentenunruhen anfachen wollten." Nach Kingaras Tod hatten sich Studenten und Sicherheitskräfte Straßenschlachten bis in die Nacht hinein geliefert. Ein Student wurde von der Polizei erschossen. Gestern war die Lage weiter angespannt.

Was Kingara und Alston in ihren Berichten aufgedeckt hatten, ist ein mafiöses System in Kenias Polizei. Mit Kopfschüssen wurden 2007 binnen weniger Monate mehr als 500 junge Männer erschossen. Dahinter steckte eine Todesschwadron namens "Kwe Kwe", die in Absprache mit der Polizeiführung jeden ermordet, der womöglich ein Mitglied der Mungiki sein könnte. Die Mungiki, eine illegale Jugendmiliz des Kikuyu-Volkes in Kenia, zu dem auch Präsident Kibaki gehört, sind unangenehm: die mafiöse Gang, die Schutzgelder erpresst und für Geld Terror walten lässt, schlägt säumigen Schuldnern gerne mal die Köpfe ab. Und doch, so betonte der Menschenrechtler Kingara stets, haben auch sie ein Recht auf einen fairen Prozess.

(Copyright die tageszeitung, 7.3.09)