Montag, 21. Januar 2008

Erfolgreicher Vermittler


Sein Wochenende hat Walter Lindner, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Kenia, vor allem mit reden verbracht. Am Telefon und in Vier-Augen-Gesprächen setzte er sich dafür ein, dass der Berliner Musiker Andrej Hermlin vor Ort aus der Haft entlassen wurde und zurück nach Deutschland fliegen konnte. Ohne Lindners Einsatz, so glauben viele, wäre das kaum gelungen. Der fast zwei Meter große Hüne mit graumeliertem Zopf und Drei-Tage-Bart ist ein ungewöhnlicher Diplomat und bei Kenias Politikern, die stets frisch rasiert im Anzug auftreten, ein respektierter Mann.

Dabei mag Lindner nichts lieber, als das Klischee des Botschafters zu unterlaufen und die anderen Gesandten zu überraschen. Während die ihre von fein manikürten Hecken umgebenen Residenzen zur Sicherheitszone erklärt haben und am Nationalfeiertag ihres Heimatlandes nur ihresgleichen zum Cocktailempfang begrüßen, lud der ausgebildete Musiker Lindner vorigen Oktober zum großen Rockkonzert mit allen kenianischen Showgrößen im den Garten seiner Residenz. Die Party ging auch nach Mitternacht noch lange weiter. Den Nachbarn im Slum, der jenseits der Botschaftsmauer liegt, hatte er zuvor einen Besuch abgestattet - um sich vorab für den Lärm zu entschuldigen. Ein Gastgeschenk in Form von hundert Säcken Maismehl hatte er auch mitgebracht. Dabei setzen sich andere Botschafter in der Gegend seit Langem für den Abriss des Armenviertels ein.

Der Rebell steckt schon lange in Lindner, dem Sohn eines Schuldirektors, der sich kurz nach 1968 auf den Hippie-Trek in Richtung Osten aufmachte und erst nach vier Jahren und einem Trip rund um die Welt wieder in seiner Geburtsstadt München ankam. Auf dem Weg hatte er mehrere Sprachen und Instrumente gelernt. Neben Musik studierte Lindner Jura, was ihm 1988 überraschend die Tore zum Auswärtigen Dienst öffnete. Der Gedanke, für Deutschland in die Welt zu ziehen, war ihm auf seiner durch Musik finanzierten Weltreise gekommen: In Guatemala hatte er seinen Pass verloren und stand vor der deutschen Botschaft, um einen neuen zu bekommen. Reingelassen hat man ihn damals nicht - zu abgerissen sah der Weltenbummler aus. Damals dachte er: Das würde ich anders machen.

Das macht Lindner, 51, inzwischen auch anders. Selbst jetzt, wo das einst so stabil scheinende Kenia in einer seiner größten Krisen steckt. Als die meisten Botschaften ihre Bürger wegen der Straßenkämpfe zwischen Regierungs- und Oppositionsanhängern aufforderten, sich zu Hause einzuschließen, fuhr Lindner hinein in den Kibera-Slum, um sich selbst ein Bild zu machen. Das vermittelt er täglich weiter in die deutsche Hauptstadt. Er ist vor allem eines: Diplomat, der mit kühlem Kopf die rund 5 000 Deutschen im Land schützen und zugleich das richtige Maß an politischem Druck auf die entscheidenden Akteure ausüben muss. Wie das geht, weiß Lindner: Als Sprecher des früheren Bundesaußenministers Joschka Fischer hat er genügend Krisen unmittelbar miterlebt.

(Copyright Berliner Zeitung, 21.1.08)