Freitag, 28. Dezember 2007

Wahlauftakt von Vorwürfen überschattet


Ein solches Chaos hat Alexander Graf Lambsdorff, Chefwahlbeobachter der EU, dann doch nicht erwartet. Mit entsetztem Blick bahnt er sich einen Weg durch die Massen vor der alten Grundschule in Nairobis größtem Slum Kibera, wo mehr als zehntausend Wähler darauf warten, ihre Stimme abgeben zu können. Im eigentlichen Wahlraum findet er den Wahlleiter umstellt von aufgebrachten Wählern, verschanzt auf einem Tisch in der Ecke, umringt von seinen verängstigten Mitarbeitern. „Wir haben keine Wählerlisten, solange kann niemand wählen“, gesteht der Mann ein. Als Lambsdorff den Ort um halb zwölf verlässt, fahren Sondereinheiten der Polizei auf den Hof, um für Ordnung zu sorgen. „Hier ist eindeutig kein ordnungsgemäßer Wahlablauf gewährleistet“, urteilt Lambsdorff.

Das ist fatal, denn Kibera ist der Wahlkreis von Oppositionsführer Raila Odinga, der in den Umfragen knapp vor Präsident Mwai Kibaki liegt. Odinga wirft der Regierung schon seit Wochen vor, die Ergebnisse hier fälschen zu wollen. Bestätigt sieht er sich darin, als sein Name wie der von tausenden anderen in den wenigen vorhandenen Wählerlisten nicht zu finden ist. Ein Sprecher der Wahlkommission kündigt später an: „Die Verzögerungen bedauern wir, und wir werden die Wahllokale so lange offen halten, bis alle Kenianer die Chance gehabt haben, zu wählen.“ Das kann dauern. Vor einem anderen Wahllokal in Kibera standen die Wähler am Nachmittag noch in einer mehr als einen Kilometer langen Schlange. Erste Ergebnisse werden frühestens heute erwartet.

Der Sieg in seinem Wahlkreis ist für Odinga auch deshalb so wichtig, weil er Voraussetzung für das Präsidentenamt ist: Laut Verfassung dürfen nur gewählte Abgeordnete Präsident werden. Viele befürchten für diesen Fall schwere Ausschreitungen in den Hochburgen der Opposition. Die größte Tageszeitung Daily Nation titelte am Donnerstag nicht umsonst: „Dies ist nur eine Wahl, kein Krieg.“ Erst am Mittwoch waren drei Polizisten im Westen Kenias von Oppositionsanhängern erschlagen worden, weil sie von einer aufgebrachten Menge der Wahlfälschung verdächtigt worden waren.

(Copyright Märkische Allgemeine Zeitung, 28.12.07)