Samstag, 29. Dezember 2007

Orangene Party


In Kenias Küstenmetropole Mombasa begann in der Nacht zum Freitag eine lautstarke Party auf den Straßen. In orangefarbene Gewänder gehüllte Anhänger des oppositionellen "Orange Democratic Movement" schoben singend und im Freudentaumel ihren Kandidaten Najib Balala vor sich her. Dieser hatte zuvor die Wahl um einen der 210 Parlamentssitze für sich entschieden.

Eigentlich war in Mombasa ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet worden, doch die Opposition setzte sich hier wie auch anderswo überraschend deutlich durch. Ähnliche Bilder boten sich am Tag nach der Präsidentschafts- und Parlamentswahl vom Donnerstag überall in Kenia. Wo es nur ging, feierte die orangene Opposition um ihren Anführer und Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga.

Die Regierungspartei von Präsident Mwai Kibaki hingegen musste schwere Niederlagen hinnehmen. Mindestens zwölf ihrer Minister wurden nicht wiedergewählt; darunter sind viele Politiker, die die Geschicke des Landes lange Zeit bestimmt haben. Kenias bisheriger Umweltminister David Mwararia etwa musste sich unter Polizeischutz seinen Weg von der Wahlzentrale durch eine Horde johlender Jugendlicher bahnen, die den 69-jährigen auslachte. Seit 15 Jahren hat Mwararia seinen Wahlkreis im Osten Kenias als Abgeordneter vertreten - jetzt ist Schluss.

Kenias 14 Millionen registrierte Wähler stimmten für einen Generationswechsel, der diejenigen aus dem Parlament fegt, die wie Kibaki seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1963 an ihren Mandaten festhalten. Zu denen, die nicht mehr im Parlament vertreten sein werden, gehört auch Vizepräsident Moody Awori und dessen Vertrauter Nicholas Biwott. "Endlich sind wir diese Schmarotzer los", sagt eine junge Frau in Mombasa, die allerdings Kibaki gerne weiter im Amt sehen würde. Ein wenig Angst vor der Veränderung schwingt da mit. Dass jetzt junge Abgeordnete ins Parlament einziehen, viele von ihnen zum ersten Mal, erfüllt sie jedoch mit Hoffnung auf eine bessere Politik in den nächsten Jahren.

Das gerade abgetretene Parlament hatte sich vor allem mit seiner Raffgier einen Namen gemacht. Nicht nur setzten die Abgeordneten als erste Amtshandlung ihre Bezüge soweit herauf, dass ein kenianischer Abgeordneter heute mehr verdient als ein deutscher Parlamentarier. Viele von ihnen galten zudem als durch und durch korrupt. Dass jemand wie Mwararia überhaupt noch einmal angetreten war, obwohl Tonbandaufnahmen ihn als Schlüsselfigur im größten Korruptionsskandal der Kibaki-Regierung auswiesen, hatten viele schon für einen Skandal gehalten. Seine Abwahl stieß deshalb am Freitag auch außerhalb seines Wahlkreises auf freudige Zustimmung.

Ob Präsident Kibaki selbst es schafft, im Amt zu bleiben, wurde am Freitag immer fraglicher. Ergebnisse aller großen Fernsehsender sahen nach der Auszählung von fast einem Drittel der abgegebenen Stimmen Oppositionsführer Raila Odinga deutlich in Führung.

Den Umfragen des größten Fernsehsender NTV zufolge kam Odinga auf 56 Prozent der Stimmen, Kibaki dagegen nur auf 37. Die offizielle Auszählung indes ging so langsam vor sich, dass der Unmut selbst innerhalb der Wahlkommission im Laufe des Tages zunahm.

Fast 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale lagen erst die Ergebnisse aus zwölf von 210 Wahlkreisen vor. "Wir wollen die Resultate jetzt, das Land wird unruhig", rief Wahlkommissar Jack Tumwa zu mehr Eile auf. Kenias oberster Polizeichef mahnte vorsorglich zur Ruhe. "Es ist jetzt an der Zeit, mit der Versöhnung zu beginnen", erklärte General Hussein Ali und lobte zugleich, dass die Wahlen überwiegend friedlich geblieben seien.

Doch vor allem in den Hochburgen der Opposition mehrten sich da schon die Vorwürfe, die Regierung versuche, die Ergebnisse zu fälschen und spiele deshalb auf Zeit. "Ist das die Strategie, um und eine ungeliebte Regierung aufs Auge zu drücken?", fragte etwa der Generalsekretär von Raila Odingas Oppositionsbündnis "Orange Democratic Movement", Joseph Nyagah, scharf.

Nyagah forderte, die Ergebnisse müssten unbedingt noch am Freitag komplett veröffentlicht werden. Doch danach sah es am Nachmittag nicht aus. In der Hauptstadt Nairobi etwa waren da erst fünf Prozent aller Stimmen ausgezählt.

Alexander Graf Lambsdorff, der Chef der EU-Wahlbeobachter, lobte zwar die Gewissenhaftigkeit der Wahlbeamten. "Aber irgendwann ist die Zeit nicht mehr Dein Freund und die Leute wollen Ergebnisse sehen." Viele in Kenia befürchten jetzt, dass Gerüchte vor allem in den Slums der Hauptstadt Nairobi und im Westen des Landes eine Kettenreaktion in Gang setzen könnten. In beiden Regionen waren schon am Wahltag bei einer Schießerei und mehreren Schlägereien fünf Menschen ums Leben gekommen.

(Copyright Berliner Zeitung, 29.12.07)