Samstag, 8. Dezember 2007

Bunt und balinesisch


Hätten die Diplomaten, die auf Bali seit Montag über die Zukunft des Kyoto-Protokolls verhandeln, den Aufzug in den Straßen der Inselhauptstadt Denpasar verfolgt - sie hätten vermutlich nicht schlecht gestaunt. "Hare Krishna, hare Rama", tönt es aus den Lautsprechern, dahinter tanzen hinduistische Priester. Bauern, Fischer, Marktfrauen: Aus allen Ecken der indonesischen Ferieninsel sind sie gekommen, mit bunten Kostümen und selbst gemalten Transparenten, um ihre Ängste und Forderungen an die Politik loszuwerden. Doch eine Autostunde vom Konferenzzentrum entfernt verhallen sie weitgehend ungehört.

Längst ist Klimawandel auch in Indonesien mehr als ein Expertenthema. "Wir fürchten uns sehr", gesteht der Fischer Daha in gebrochenem Englisch. Mit seinen Kollegen aus dem fernen Westen der Insel ist er schon im Morgengrauen in den Bus gestiegen, um es rechtzeitig bis zur Demo zu schaffen. Dahas Ängste haben ernste Gründe: "In den vergangenen Jahren hatten wir mehr Überschwemmungen als sonst, viele von uns haben ihre Häuser und Boote verloren." Von der Regierung fühlt sich der Fischer, der vor allem für den eigenen Bedarf auf See fährt, im Stich gelassen. "Wenn wir nicht selbst handeln, gehen wir unter."

Der Demonstrant Farid ist aus Bogor im Westen Javas nach Bali gekommen. Seine Sorge gilt dem Wald, der nicht nur rund um seine Stadt längst abgeholzt ist. "Indonesiens Wälder sind zum großen Teil zerstört, stattdessen gibt es überall Plantagen mit Ölpalmen und anderen Nutzpflanzen." Indonesien gilt mittlerweile als drittgrößter Emittent von Klimagasen weltweit, rechnet man das durch Abholzung und Brandrodung freigesetzte Kohlendioxid in die Bilanz mit ein. "Viele Indonesier haben mit den Wäldern die Grundlage ihrer Kultur verloren", beschwert sich Farid.

Vom Gipfeltreffen im abgeriegelten Ferienkomplex von Nusa Dua fordert er entschiedene Schritte, um den Erhalt der letzten Wälder in Indonesien lohnender zu machen. "Die Bevölkerung in den Wäldern wird nicht gefragt, die Regierung vergibt das Land einfach an ausländische Investoren." Das energiereiche Palmöl ist seit einigen Jahren gefragt wie nie zuvor, unter anderem für die Biodiesel-Produktion.

"Stoppt die Rückzahlung illegaler Schulden" steht auf dem Transparent von Lidy Napil. Der Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels und der Erlass von Auslandsschulden hängen für sie eng zusammen. "Unsere Regierungen sollten das Geld als Entschädigung behalten, um die Folgen des von den Industrieländern geschaffenen Klimawandels abzufedern." Derzeit, kritisiert die Philippinerin, seien die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel von der Willkür der Regierungen im reichen Norden abhängig. "Dabei hat doch der Norden den Klimawandel überhaupt verursacht."

Napil lehnt deshalb die von manchen Industrieländern vorgeschlagenen Darlehen zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen ebenso ab wie die Verrechnung mit Entwicklungshilfe. "Die Industrieländer müssen ihre Schuld begleichen und dürfen das Geld nicht einfach irgendwo abziehen."

Für Gerechtigkeit ist auch der Hindupriester Sundarananda Bas auf die Straße gegangen. Er ist einer von gut dreißig Geistlichen im orangenen Umhang, mit Glatze und Zimbeln in der Hand. Normalerweise, sagt er, demonstrieren Priester hier nicht. "Aber jetzt befürchten wir zu viel Leid unter den Armen, und da können wir nicht still bleiben." Der Hare-Krishna-Gesang hallt unter den religiösen Männern auch nach Ende des Protestzugs weiter. Ein Teil der Gruppe stimmt dazu Musik auf traditionellen Holzinstrumenten an. "Wir beten zu unseren Göttern, damit sie uns helfen, die Welt zu schützen."

(Copyright epd, 8.12.07)