Samstag, 15. Dezember 2007

Heiße Nächte auf Bali


Die Klimaexperten des Bundesumweltministeriums rühren am Freitagabend auf Bali in ihren Kaffeetassen und warten auf ihren Minister. Manchmal steht einer auf, um einen neuen Kaffee zu holen. Viel mehr kann man nicht tun. Sigmar Gabriel sitzt seit Stunden in einem Raum mit dem schönen Namen Bougainvillea und redet. Wie lange noch, ist in diesen Stunden bis zuletzt weiter ungewiss. Die UN-Klimakonferenz auf Bali ringt um ein Abschlussdokument. Und der Bundesumweltminister gibt zwischendurch eine optimistische Einschätzung. Er rechne mit einer Einigung, sagt Gabriel und fügt diplomatisch hinzu: "Ob das am Ende zu einem ambitionierten Ergebnis führt oder nicht, wird abzuwarten sein."

Hinter den verschlossenen Türen im Verhandlungsraum in Nusa Dua, vor denen ein muskelbepackter Polizist Wache schiebt, versucht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel seit Stunden einen politischen Kraftakt: Er will die USA und ihre Verbündeten Russland, Kanada und Japan davon überzeugen, in der Abschlussdeklaration einem möglichst verbindlichem Zielkorridor für den Abbau von Treibhausgasen nach 2012 zuzustimmen. Zugleich sollen die Entwicklungs- und Schwellenländer zusagen, dass dann auch sie verbindliche Ziele etwa zur Deckelung des Kohlendioxid- Anstiegs eingehen würden. An beidem hängt der Abschluss der Verhandlungen. Auch Gastgeber Indonesien unterstützt am Freitag Kompromissvorschläge.

Ursprünglich hatten die Diplomaten das Tagungsende auf Freitag, 12 Uhr (Ortszeit) festgelegt. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Denn auch nachdem die Sonne auf der indonesischen Ferieninsel längst untergegangen war, zeichnet sich keine Einigung ab. Man sei "am Rande einer Einigung", sagt der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, am späten Freitagabend. Der Chef der UN-Klimarahmenkonvention wirkt übernächtigt. Er versucht dennoch, den Krisengesprächen in letzter Minute etwas Positives abzugewinnen: "Besser, man reist hier mit einem mühsam erreichten, aber eindeutigen Mandat ab, als wenn man im kommenden Jahr zunächst versucht herauszufinden, worauf man sich auf Bali eigentlich geeinigt hat."

De Boer verweist darauf, dass in den meisten Bereichen bereits Einigungen erzielt worden sind: Etwa bei den Fragen des Transfers klimafreundlicher Technologien oder der teuren Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Doch die Entwicklungsländern sind am Abend vor allem eines: sauer.

Der Verhandlungsführer der in den G77 zusammengeschlossenen sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer, Munir Akram aus Pakistan, nennt die zweiwöchigen Verhandlungen einen mühsamen Kampf um jeden einzelnen Zentimeter. "Wir haben es von Anfang an schwer gehabt, unsere legitimen Positionen zu behaupten." Industrieländer hätten die mehr als 130 Staaten umfassende Gruppe, unter deren Dach auch die aufstrebenden Industrie-Nationen China und Indien verhandeln, erheblich unter Druck gesetzt. "Schließlich hat man uns sogar mit Handelssanktionen gedroht."

Akram nennt die USA die Hauptverantwortlichen für die verwässerten Ergebnisse von Bali. "Ein mögliches Abschlussdokument wird die Erkenntnisse von Klimawissenschaftlern kaum widerspiegeln." Im Gegenteil hätten die USA noch am Freitagmorgen versucht, ein neues globales Abkommen mit gleichen Reduktionszielen für alle Länder zu propagieren – ohne einen Unterschied zwischen Entwicklungs- und Industriestaaten zu machen. "Ein solches Abkommen würde den Kyoto- Prozess komplett untergraben."

Zudem verweisen die Entwicklungs- und Schwellenländer auf die Blockadehaltung Amerikas. Die USA haben als einziger Industriestaat nicht das 1997 beschlossene Kyoto-Abkommen unterzeichnet, das verbindliche Ziele zum Abbau von Treibhausgasen in den Industriestaaten vorsieht. Weil sie jedoch Mitglied der UN-Klimarahmenkonvention sind, sitzen sie auf Bali mit am Tisch. Geschickt verzögern sie die Verhandlungen mit neuen Vorstößen, zuletzt hatte Umweltminister Sigmar Gabriel gar angedroht, die EU werde einem Klimatreffen von US-Präsident George W. Bush im kommenden Jahr auf Hawaii fernbleiben.

Viele Diplomaten hoffen, dass die Vereinigten Staaten 2008 mit einem neuen Präsidenten an der Spitze bereit sein werden, über einen Beitritt zum Abkommen nach 2012 nachzudenken. Denn dann beginnt die nächste Phase des Kyoto-Protokolls. Deshalb wollen alle den USA eine Tür zum neuen Vertragswerk offen halten.

Doch vor allem Deutschland und die EU haben stets auf klare Eckpunkte für das Verhandlungsmandat bestanden, das hier in Bali beschlossen werden soll. Als Zwischenziel bis 2020 bestehen die Europäer auf den Abbau von 25 bis 40 Prozent der Treibhausgase in den Industriestaaten – so steht es im Bericht des Weltklimarats (IPCC). Zustimmung bekommen sie am Freitag von Michael Bloomberg, dem Bürgermeister von New York.

Bloomberg ist nach Bali gereist, um seine eigene Stadt auf ein Klimagas- Reduktionsziel von 80 Prozent bis 2050 zu verpflichten. "Wir brauchen in diesen Verhandlungen konkrete und messbare Verpflichtungen, und wir Städte müssen voran gehen", so Bloomberg. Die Vereinbarung, die vierzig Weltstädte, darunter auch Berlin, unterzeichnen sollen, richtet sich ebenfalls an den Zahlen des Weltklimarats aus. Bloomberg rief die Vereinten Nationen zudem auf, Städte zum Teil des offiziellen Verhandlungsprozesses für mehr Klimaschutz zu machen. "Wenn man wirklich vorwärts kommen will, führt an uns Bürgermeistern, der wirklich pragmatischen Kraft auf der Weltbühne, kein Weg vorbei." Denn achtzig Prozent aller Treibhausgase weltweit würden schon heute in den Städten erzeugt.

(Copyright Berliner Zeitung, 15.12.07)