Donnerstag, 13. Dezember 2007

Auftritt des Klimaretters


Selbst die Polizisten, die in bester Dirty-Harry-Manier die durch die einzig offene Tür strömenden Besucher anschnauzen und jeden mit einer Kamera im Rucksack rauswerfen, tun der Freude keinen Abbruch. "Da kommt endlich jemand, der wie wir das Klima retten will", jauchzt eine junge Inderin. Nicht nur Umweltschützer fiebern der Rede von Al Gore entgegen, die er vor 1.000 Teilnehmern am Rande des Weltklimagipfels hält. Auch manchem Delegierten tut der Auftritt nach zwei Wochen diplomatischer Winkelzüge sichtbar gut. Wie bei einem Rockkonzert erfüllt das Raunen von tausend Stimmen den Raum, bis der Star die Bühne betritt und der Applaus losbricht.

"Ich sehe so viele bekannte Gesichter hier, manche von Euch habe ich doch schon in Rio gesehen", ruft Gore gleich zu Anfang in die Menge. Im aufbrandenden Applaus klatschen viele auch für sich selbst. Viele der Klimaschützer, die seit Jahren um ihre Anerkennung gestritten haben, sehen im frischgebackenen Friedensnobelpreisträger Gore sich selbst und zugleich eine Lichtgestalt, die im Kleinklein der Paragraphen die große Richtung vorgibt. Im Windschatten der Berichte des Weltklimarats, dem Stern-Report und dem Nobelpreis für Gore hatten sie auf einen programmatischen Bali-Gipfel gehofft, auf den großen Durchbruch im zähen Verhandlungsgeschäft. Doch der blieb aus.

"Ich sage Euch eine unbequeme Wahrheit: Es ist mein eigenes Land, das für das Stocken der Gespräche hier verantwortlich ist", ruft Gore und stellt die Delegierten, die direkt vor ihm in der ersten reihe sitzen, vor die Wahl. "Entweder Ihr ärgert Euch darüber, oder aber Ihr geht voran und trefft hier die wirklich wichtigen Vereinbarungen." Bis zum endgültigen Beschluss über die Zukunft des Kyoto-Protokolls werde sich die Ausgangslage noch grundlegend ändern: "Bis dahin werden die USA mitmachen", versichert Gore, und der Saal tobt.

Gore erinnert an die Zeiten, als Klimawissenschaftler vor zehn Jahren vor dem Abschmelzen der Nordpolkappe bis Ende des 21. Jahrhunderts warnten. "Heute sagen sie, es kann auch schon in fünf bis sieben Jahren so weit sein." Er schaut über den engen Horizont hinaus: Die Erde sei im Durchschnitt 15 Grad, die Venus 455 Grad warm. "Es liegt am CO2: Bei uns liegt es noch im Boden, auf der Venus ist schon alles in der Atmosphäre." Nicht zuletzt rührt Gore daran, warum viele im Saal begannen, für den Klimaschutz zu kämpfen: "Wir sind ein Planet, eine Menschheit, eine Zukunft - wir müssen es gemeinsam schaffen, und das können wir auch."

In die Augen mancher Zuhörer kehrt da der Glanz zurück, den 12 harte Verhandlungstage und -nächte längst weggewischt haben. Hier sitzt der Experte für die Details der Artikel 9-Revision, dort der Spezialist zur Bestimmung des Kohlenstoffgehalts von Wäldern - Gore schafft es, sie für den Bruchteil eines Tages zusammenzubringen. Einem UN-Prozess, wo technische Details, kaum durchschaubare Politsemantik und ein Wust von Abkürzungen immer wieder den Blick für das große Ziel verstellt haben, stiftet Gore auf einmal wieder Sinn.

"Wir sind die Generation, die eine historische Wende für die ganze Menschheit herbeiführen kann", endet Gore seine Rede. "Wir haben alles, was wir dafür brauchen, außer vielleicht dem politischen Willen - aber der ist eine erneuerbare Ressource." Dann ist es vorbei, Gore tritt ab, die Türen öffnen sich. Die Besucher strömen zurück in die Arbeitsräume, wo weiter über die Abschlusserklärungen verhandelt wird. Es soll, so heißt es, eine lange Nacht werden.

(Copyright epd, 13.12.07)