Samstag, 14. Juni 2008

Goldener Start für Kenias Volksaktie


Monatelang hat James Orengo am Essen gespart, Kneipenbesuche und Fahrten zu seiner Familie auf dem Land wurden gestrichen. Die Eltern gaben einen kleinen Zuschuss, der Arbeitgeber einen Kredit, dann hatte der Gärtner die 10.000 Kenianischen Schillinge, umgerechnet 100 Euro, zusammen, die er bei seiner Bank als Einlage für das Minimum von 2.000 Safaricom-Aktien einzahlte: "Das sind für mich fast zwei Monatseinkommen." Wie er, so machten es auch 840.000 andere: So hoch ist die Zahl der Kleinaktionäre, die jetzt ein Stückchen vom profitabelsten Unternehmen Ostafrikas besitzen. Der Mobilfunkriese hat im vergangenen Jahr mehr als 250 Millionen Euro Gewinn eingefahren. Kein Wunder, dass in Kenia eine Art Massenhysterie ausbrach, als die Regierung vor einigen Monaten ankündigte, ein Viertel des Unternehmens an die Börse zu bringen. Zum Schluss war die Aktie um mehr als 500 Prozent überzeichnet, einen solchen Ansturm hatte Kenias Aktienmarkt noch nie erlebt.

Kenias Präsident Mwai Kibaki ließ es sich am Montag nicht nehmen, höchstpersönlich den Handel an Nairobis Börse zu eröffnen. Ihren Einstand feierte die neue Aktie mit satten Kursgewinnen: Am Mittag war jede Aktie schon 60 Prozent mehr wert als bei der Ausgabe. Nicht nur Orengo, der die Kursentwicklung über einen eigenes eingerichteten SMS-Service beobachtete, war erfreut: "Mir fällt ein Stein vom Herzen, zum Schluss war ich doch nicht mehr sicher, ob das klug angelegtes Geld war." Zeitungen hatten seit Wochen gewarnt, Spekulanten könnten mit Massenverkäufen den Wert der Aktie in den ersten Stunden in den Keller treiben. Das hätte Orengo hart getroffen, auch wenn er wegen der Überzeichnung - wie alle Kleinstanleger - statt der versprochenen 2.000 nur 420 Aktien abbekommen hat. Ab heute, so versprechen die Banken, wird Anlegern wie Orengo das zu viel gezahlte Kapital zurückgezahlt. Wegen der hohen Rückzahlungen, so warnte am Morgen Kenias Zentralbank, könnte in den kommenden Wochen Bargeld im Land knapp werden.

Der Staat ist eindeutig der große Gewinner dieses Börsengangs: Mit dem Verkauf seiner Aktienanteile macht Kenias Finanzminister mehr als 520 Millionen Euro Gewinn. An der Attraktivität der Aktie für die Anleger gibt es keinen Zweifel. Safaricom hat mehr als zehn Millionen Abonnenten, deutlich mehr als der einzige Rivale Celtel. Das Wachstumspotential ist dennoch groß, weil erst ein Drittel der 37 Millionen Kenianer ein Mobiltelefon besitzt.

Doch darüber können sich diejenigen nicht freuen, die im Zuge des Börsenansturms einen der Bankkredite in Anspruch nahmen, die überall offeriert wurden. Sie zahlen bereits seit zwei Monaten Zinsen für eine Summe, die sie größtenteils nicht in Aktien umsetzen konnten. Über die Rücküberweisung von vier Fünfteln der Einlage können sie sich nicht freuen, weil sie sich ohne die erhofften Kursgewinne die Rückzahlung des Kredits niemals leisten können werden. "Viele, die auf eine höhere Zuteilung spekuliert haben, werden pleite gehen", vermutet ein leitender Broker der Kenya Commercial Bank (KCB). Dazu kommt die seit Jahresanfang galoppierende Inflation, die jeden Gewinn zunichte zu machen droht: Im Mai lag die Rate bei 31,5 Prozent. "Die Regierung wird alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Inflationsrate wieder zu senken", versprach Kibaki am Montag. Doch welche Maßnahmen das sein könnten, ließ er offen.

Überschattet wird der Börsengang schließlich von einem Korruptionsskandal über die wahre Inhaberstruktur von Safaricom. Neben dem Staat und dem britischen Mobilfunkunternehmen Vodacom sollen zwischen fünf und zehn Prozent der Aktien einer mysteriösen Firma namens "Mobitelea" mit Sitz auf Guernsey gehören, hinter der Oppositionspolitiker Funktionäre der alten Regierung von Präsident Kibaki vermuten. Jeder Versuch von Kenias Anti-Korruptionsbehörden, die Hintermänner von Mobitelea aufzudecken, ist bislang gescheitert. Aktivisten erklären, es gebe Widerstand "von ganz oben".

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