Montag, 9. Juni 2008

Armee des Propheten im Vormarsch


In Gulu, der größten Stadt im Norden Ugandas, haben sie sich gerade erst an den Frieden gewöhnt, der seit knapp zwei Jahren Einzug gehalten hat. Die Geschäfte sind frisch gestrichen, vollbeladene Lastwagen queren die Stadt auf dem Weg von Ugandas Hauptstadt Kampala in Richtung Südsudan. In den Sammellagern, wo sich bis September 2006 in ganz Norduganda mehr als zwei Millionen Bewohner vor den brutalen Angriffen der "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) versteckt haben, stehen die meisten Rundhütten leer. Doch mit der Normalität könnte es schon bald wieder vorbei sein. Denn die LRA unter der Führung des selbsternannten Propheten Joseph Kony führt wieder Krieg, warnt der südsudanesi- sche Informationsminister Gabriel Changson Cheng.

Südsudan als neues Opfer

"Die LRA hat den neuen Krieg begonnen, und diesmal sind wir die ersten Opfer", so Cheng. Bei Angriffen auf die zwei südsudanesischen Garnisonsdörfer Nabanga und Yamba, die in einer entlegenen Region nahe der Grenze zum Kongo liegen, sollen am Donnerstag mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen sein. Die LRA, so Cheng, habe Nahrungsmittel und Waffen gestohlen und bereite sich auf neue Attacken vor. Die Bemühungen um einen Frieden seien damit vorbei. "Es wäre sinnlos für uns, weiterhin als Vermittler zwischen LRA und ugandischer Regierung tätig zu bleiben."

Südsudans Armee, die derzeit in der Grenzregion zum Nordsudan um Abyei in Kämpfe verwickelt ist, behalte es sich vor, gegen die LRA zurückzuschlagen. "Der Südsudan wird nicht zum Kriegsschauplatz für die LRA werden." Hilfsorganisationen berichten zudem, dass einzelne LRA-Kommandos vor Jahren angelegte unterirdische Waffenlager geplündert haben. Konys Truppen scheinen gerüstet wie seit Jahren nicht mehr.

Für Nordugandas Bevölkerung stirbt damit die Hoffnung, dass einer der längsten Bürgerkriege Afrikas vorbei sein könnte. Mehr als 20 Jahre schon massakriert Konys Lumpenarmee auf brutalste Weise ganze Dörfer. Besonders gefürchtet ist die LRA, weil sie in dieser Zeit zehntausende Kinder entführt hat, die zu Kindersoldaten oder Sexsklaven gemacht wurden.

Aus dem regierungslosen Niemandsland zwischen dem Ostkongo, der Zentralafrikanischen Republik und dem Südsudan werden seit Monaten Angriffe nach gleichem Schema gemeldet. Während der auf 600 Kämpfer geschätzte Kern der LRA gut tausend neue Soldaten zwangsverpflichtete, verschob Kony unter fadenscheinigen Ausreden immer wieder die geplante Unterzeichnung eines seit 2006 verhandelten Friedensvertrags. Kony, der ebenso wie zwei seiner engsten Vertrauten vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, zeigte sich praktisch nie in der Öffentlichkeit.

"Kony hat die Verhandlungszeit genutzt, um aufzurüsten und neue Soldaten zu entführen", erklärt Ugandas Armeesprecher Paddy Ankunda wütend. Jetzt will Ugandas Armee gegen den LRA-Stützpunkt im Norden des Virunga-Nationalparks im Ostkongo vorgehen, gemeinsam mit kongolesischen und UN-Truppen. "Auch die US-Armee unterstützt den Vorstoß." Doch ähnliche Versuche, den Konflikt militärisch zu lösen, blieben in der Vergangenheit erfolglos. Zu unkontrolliert ist der Osten Kongos, in dem auch zahlreiche andere Rebellengruppen operieren.

Schon ruft der katholische Erzbischof in Gulu, John Odama, LRA und Regierung auf, das Friedensabkommen zu unterzeichnen. "Wenn wir jetzt in den Krieg ziehen, ist alles bisher Erreichte verloren." Doch damit widerspricht er dem ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni, der in der Vorwoche in einer Staatsansprache den Friedensprozess für beendet erklärte. Auch die südsudanesischen Vermittler haben schon aufgegeben. Am Wochenende ließ Sprecher Cheng verlauten, nicht nur die LRA, auch Ugandas Regierung habe nie wirklich Interesse an den Verhandlungen gezeigt.

(Copyright Der Standard, 9.6.2008)