Dienstag, 3. April 2007

Wieder Krieg in Mogadischu


In den 16 regierungslosen Jahren seit der Vertreibung des Diktators Siad Barre haben die Bewohner Mogadischus einiges überstanden. Verfeindete Clans und ihren Untergruppen, die die Grundstruktur der somalischen Gesellschaft bilden, zerlegten Altstadt und Regierungsviertel schon Anfang der 90-er Jahre in Schutt und Asche. Die Stadt versank in Anarchie. Warlords, Geschäftsleute mit Privatarmee, lieferten sich immer neue Kämpfe und terrorisierten die Bevölkerung. Doch so schlimm wie jetzt, so das Internationale Rote Kreuz, war es in Somalias Hauptstadt noch nie.

Hunderte sind seit vergangenem Donnerstag ums Leben gekommen, darunter viele Zivilisten. Leichen verwesten in den Straßen. Die Verletzten, die sich in die Krankenhäuser retten konnte, wurden allenfalls notdürftig behandelt. Die meisten verschanzten sich selbst mit schweren Wunden noch in ihren Häusern. Gut 100.000 sind in den vergangenen Monaten aus Mogadischu geflohen, schätzen die UN: Die Hälfte davon in den vergangenen 10 Tagen, seit die mit der somalischen Übergangsregierung verbündete äthiopische Armee schweres Geschütz aufgefahren und mit ihrer “Offensive gegen Islamisten” begonnen hat.

Dabei stehen den regierungstreuen Truppen längst nicht mehr nur die Sympathisanten der Ende Dezember vertriebenen “Union islamischer Gerichtshöfe” gegenüber. Spätestens als Panzer und Hubschrauber am Donnerstag Märkte und Wohnviertel bombardierten, in denen der Hawiye-Clan seine Hochburgen hat, kämpfen Clan-Milizen Seite an Seite mit den Islamisten, deren genaue Zahl und Organisationsstruktur ohnehin ungewiss ist. “Was in Mogadischu derzeit stattfindet, ist ein gegen die Zivilbevölkerung gerichtetes Blutbad”, erklärte Hawiye-Sprecher Achmed Direi Ali am Wochenende.

Hawiye und Äthiopier sehen sich spätestens seit dem Krieg im ostäthiopischen Ogaden (1976- 1978), der von ethnischen Somalis bevölkert ist und den sich Diktator Barre einverleiben wollte, als Todfeinde. Die Hawiye waren außerdem die Architekten hinter dem Erfolg der islamischen Gerichtshöfe, die als erste Kraft seit Barres Diktatur eine Art Stabilität in Mogadischu garantierten – bis der aus dem Norden stammende Präsident Abdullahi Jusuf und die Äthiopier ihrer Herrschaft ein Ende machten.

Die Äthiopier genießen ihrerseits massiven Rückhalt aus den USA, die in Somalia einen neuen Schauplatz ihres globalen “Anti-Terror-Kriegs” sehen. Der für Somalia zuständige US-Botschafter in Kenia, Michael Ranneberger, verteidigt die Gefechte damit, dass die bekämpften Islamisten Verbündete des al-Kaida Netzwerks seien. “Somalia hat trotz der Kämpfe die beste Chance seit fast zwei Jahrzehnten auf dauerhaften Frieden.”

Die USA sind nicht nur mit ihrer Luftwaffe, die Anfang des Jahres Ziele im Süden Somalias bombardierte, direkt am Krieg beteiligt. Die Menschenrechtsorganisation “Human Rights Watch” hat mindestens 85 Fälle ausgemacht, in denen Flüchtlinge aus Somalia verschleppt, von US-Geheimdiensten verhört und in äthiopischen Gefangenenlagern verschwunden sind. “Niemand weiß, wo die Deportierten heute stecken”, sagt die Menschenrechtlerin Georgette Gagnon.

Trotz eines eilig zusammengezimmerten Waffenstillstands, dem zweiten in ebenso vielen Wochen, scheinen die Äthiopier entschlossen, die Hawiye militärisch zu besiegen. Nachschubtruppen, schweres Gerät und frische Munition warten seit Sonntag in Mogadischu auf ihren Einsatz. Die Hoffnung, dass die Friedensmission unter Mandat der Afrikanischen Union die Gewalt stoppen könnte, hat niemand mehr. Die gut 1.500 ugandischen Soldaten, die auf eine ungewisse Verstärkung warten, haben bislang nicht in die Kämpfe eingegriffen.

(Copyright epd, 3.4.2007)