Montag, 16. April 2007

Die Wahlen laufen wie geschmiert


Es war Samstagmorgen, als Hassan Jamiu den Holzverschlag seines Großvaters in einem der vielen Slums von Lagos verließ, um ein paar Lebensmittel zu kaufen. An den Wochenenden kümmerte sich der 21-Jährige immer um seinen letzten Verwandten. Doch als Jamiu an diesem Tag an die Marktstände trat, fielen plötzlich Schüsse. Ein Querschläger traf ihn in den Rücken, eine halbe Stunde später war er tot.

Zwei Tage dauerten die Ausschreitungen im Slum. "Ein Politiker aus dem Viertel hatte einer Gruppe von Schlägern Geld gegeben, und sie konnten sich nicht auf die Aufteilung einigen", berichtet Obsthändler Ibrahim, dessen Stand geplündert wurde. Ein paar hundert Naira, umgerechnet ein paar Euro, bekommen die meist arbeitslosen Jugendlichen, die von Politikern angeheuert werden. Die Schlägertrupps sollen oppositionelle Wahlkampfauftritte aufmischen und bis zum Wahltag Angst und Schrecken bei jenen verbreiten, die ihr Häkchen beim Gegenkandidaten machen wollen.

Offiziell sind seit November mehr als 70 Menschen im Zusammenhang mit den Wahlen ums Leben gekommen, in Wirklichkeit sind es wohl Hunderte. Auch während der Regionalwahlen, die am Samstag über die Bühne gingen, gab es Szenen der Gewalt. "Angst vor Konsequenzen muss keiner von uns haben", sagt einer der Schläger. "Das ist ein Job wie jeder andere, wir werden ordentlich bezahlt."

Ohne Geld keine Macht

Vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 21. April bestätigt sich erneut eine Gleichung, die Nigerias Politik seit der Unabhängigkeit 1960 bestimmt: ohne Geld keine Macht, ohne Macht kein Geld. Acht Jahre nach Ende der letzten Militärdiktatur im bevölkerungsreichsten Land Afrikas soll erstmals ein Regierungschef die Macht an einen gewählten Nachfolger abgeben. Das hat es im einst putschgeplagten Nigeria noch nie gegeben. Doch hinter den Kulissen haben die alten Machthaber alles dafür vorbereitet, dass ihr Einfluss auf die Politik nicht schwindet.

"Ich bin ein Mann des Volkes", beschreibt sich Lamidi Adedibu, während er vor seinem Haus Bargeld an die Wähler seines Kandidaten verteilt. "Ich habe vielen unserer Führer gedient, und ich erwarte, dass sie auch mir dienen." Die Inhaber politischer Ämter sorgen auch selbst für ihren Machterhalt. "Die Mächtigen schieben fantastische Beträge hin- und her, während Nigeria nach und nach verfällt", bilanziert Shina Loremikon vom nigerianischen "Zero Corruption Network". So stellte ein Parlamentskomitee fest, dass Präsident Olusegun Obasanjo mehr als 20 Millionen Euro aus einem staatlichen Öl-Entwicklungsfonds illegal für Projekte der Regierung missbraucht hat. Zudem soll er sich vom Präsidentensessel aus eine finanziell solide Machtbasis gezimmert haben.

Sein persönliches Aktienpaket bei der "Transnational Corporation of Nigeria", kurz Transcorp, wird auf 200 bis 600 Millionen Stück geschätzt. Seit 2005 übernahm Transcorp die einst staatliche Telekom, den Mobilfunkbetreiber MTel, das Hilton-Hotel Abuja und sicherte sich staatlich vergebene Ölfelder und öffentliche Aufträge zum Bau einer neuen Raffinerie und eines Riesenkraftwerks. Transcorp, so heißt es an der nigerianischen Börse in Lagos, genieße "bevorzugte Behandlung von ganz oben".

Doch als wichtigste Investition für seinen Einfluss gelten Obasanjos handverlesene Nachfolger. Weder Umaru Musa Yar'adua noch sein Mitstreiter Jonathan Goodluck haben politisches Profil und werden zeit ihrer Karriere auf Obasanjos Unterstützung angewiesen sein. Als aussichtsreicher Kandidat von der Opposition gilt derzeit nur Muhammadu Buhari.

Kritiker verfolgt Obasanjo mit der "Kommission für Wirtschafts- und Finanzvergehen" (EFCC). 2006 wurden fünf der 36 Provinzgouverneure nach Korruptionsvorwürfen der EFCC unter fragwürdigen Umständen aus dem Amt gehoben. 37 vorwiegend prominente Oppositionelle - unter ihnen Vizepräsident Atiku Abubakar - durften nun gar nicht zur Wahl antreten. Sie klagten - doch als der oberste Gerichtshof am vergangenen Donnerstag ein Urteil fällen wollte, erklärte der Präsident Donnerstag und Freitag kurzerhand zum Feiertag. Die Gerichte blieben geschlossen.

(Copyright Der Standard, 16.4.2007)