Dienstag, 5. Februar 2008

Der Unverwüstliche


Knapp mit der Macht und dem Leben davonzukommen, das ist für Tschads Präsident Idriss Déby längst etwas Selbstverständliches. Tausende Rebellen aus dem Osten des Landes standen am Sonntag wenige hundert Meter von seinem Büro entfernt in der Hauptstadt N'Djamena, der Westen hatte ihn schon abgeschrieben. Doch dann vertrieb Débys treu ergebene Restarmee die Rebellen wieder, so wie zwei Jahre zuvor, als die Rebellen noch Mühe gehabt hatten, nach ihrem Einmarsch in N'Djamena den Präsidentenpalast zu finden. Auch einen Anschlag auf die Präsidentenmaschine, in der er saß, überstand Déby. Es scheint, als sei der Mann, den seine Studienkollegen an der renommierten Pariser "École de guerre" - der Kriegsschule - "Wüstencowboy" nannten, unverwüstlich.

Déby, Sohn eines Hirten, 1952 in Fada nahe der sudanesischen Grenze geboren, hat den afrikanischen Ölstaat seit 18 Jahren fest im Griff. Ohne das Militär wäre seine Karriere nie möglich gewesen: Sein Eintritt in die Armee ermöglichte Déby den Besuch der Militärschule in N'Djamena und die Ausbildung zum Kampfpiloten in Paris. Als er in den Tschad zurückkehrte, half Déby Rebellenführer Hissène Habré bei seinem Putsch - und führte für den Herrscher, der als Petrodollar-Pinochet berüchtigt wurde, sieben Jahre lang die Armee. Er schlug libysche Streitkräfte zurück und wurde so mächtig, dass Habré ihn verstieß. Vom Sudan aus organisierte Déby eine Rebellenarmee und marschierte am 2. Dezember 1990 unbehelligt in N'Djamena ein. Déby kennt also Aufstände - aus vielen Perspektiven.

Die jetzigen Angreifer gehören nicht nur Débys Ethnie an, den Zaghawa, die gerade mal eineinhalb Prozent der zehn Millionen Bewohner des Tschad ausmachen. Selbst ein Neffe Débys ist unter den Rebellen, ebenso wie viele desertierte Offiziere und Soldaten. Viele halten Débys Bevorzugung des Zaghawa-Clans, dessen Mitglieder alle wichtigen Stellen in Politik und Verwaltung inne haben, für seinen größten politischen Fehler. Dennoch werfen viele Zaghawa ihm vor, nicht genug für sie und vor allem die Zaghawa-Rebellen im benachbarten Darfur zu tun, die dort gegen Sudans Regierung kämpfen. Auf den Unmut im Osten reagierte Déby wie gehabt: Mit einer Aufrüstung seiner Armee, für die er zuletzt auch Öl-Gelder verwendete, die nach einer Vereinbarung mit der Weltbank für humanitäre Hilfe im armen Land reserviert waren.

Nach solchen Wirrnissen scheint unklar, ob Déby, der 2003 die Verfassung änderte, um lebenslang an der Macht bleiben zu können, wie oft in der Vergangenheit mit französischer Militärhilfe rechnen kann. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte ihm im November erklärt, er könne stets auf seine Wertschätzung zählen. Da hatte Déby gerade sechs Mitarbeiter einer Hilfsorganisation nach Frankreich überstellt, die mehr als hundert Kinder außer Landes hatten bringen wollen. Jetzt bot Paris an, Déby auf Wunsch ins Exil auszufliegen. Für mehr reicht die französische Wertschätzung offenbar nicht mehr aus.

(Copyright Berliner Zeitung, 5.2.08)