Dienstag, 24. Juli 2007

Meinung: Sudans ewiges Spiel auf Zeit


Vor etwas mehr als einem Monat verkündete ein Sprecher der Afrikanischen Union (AU) die gute Nachricht: Sudans Regierung habe einer Friedenstruppe für Darfur zugestimmt, die gemeinsam von UN und AU geführt werden soll. Monatelange Diplomatie und Druck zuletzt sogar von Sudans großzügigem Unterstützer China soll Khartum dazu bewegt haben, den jahrelangen Widerstand gegen eine internationale Truppe aufzugeben. Ein Oberbefehlshaber wurde ernannt. In nicht einmal einem halben Jahr, so hofften Diplomaten, würden bis zu 26 000 Friedenssoldaten der seit vier Jahren währenden Krise ein Ende bereiten.

Doch jetzt hat das Regime von Präsident Omar al Baschir, der sich mit Hilfe von Islamisten 1989 an die Macht putschte, der internationalen Gemeinschaft erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht. Man sei wohl "missverstanden" worden, verkündete Innenminister Zubeir Baschir Taha am Wochenende. "Selbstverständlich werden wir nicht akzeptieren, dass ausländische Truppen Waffengewalt zum Schutz der Bevölkerung einsetzen dürfen." Dieses robuste Mandat aber hatte der UN-Sicherheitsrat als wichtigen Bestandteil der Mission betrachtet. Sudans UN-Botschafter Abdalmachmud Abdalhalim ergänzte vorsorglich: "Wir warnen vor der Verabschiedung einer UN-Resolution, der wir nicht zugestimmt haben".

Khartum spielt wieder auf Zeit. Das Regime, dessen Luftwaffe seine Kampfbomber weiß streicht und als UN-Hilfsflieger tarnt, ist auf dem besten Wege, die afrikanischstämmige Bevölkerung in Darfur endgültig zu verjagen. Zehntausende Araber aus Nachbarländern siedelt Khartum derzeit in Darfur an, um den in Flüchtlingslager geflohenen Bauern ihr Land zu nehmen und für den Ernstfall neue Kämpfer zu haben. Die von der Regierung ausgerüsteten Dschandschawid ermorden Flüchtlinge, die sich nur wenige hundert Meter aus den Lagern herauswagen, um Brennholz zu suchen. Auch jenseits der Grenze im Tschad sind die Vertriebenen vor den Übergriffen der Dschandschawid nicht sicher.

Die 7 000 AU-Beobachter, die derzeit in Darfur den nicht vorhandenen Frieden kontrollieren sollen, sind machtlos und werden nicht einmal bezahlt. Dass die gegen Khartum kämpfenden Rebellen nicht zuletzt wegen des international moderierten und letztlich gescheiterten Friedensprozesses heillos zerstritten sind, macht die Lage noch unübersichtlicher. Hilfsorganisationen versorgen weite Teile Darfurs nicht mehr, weil sich die Überfälle auf ihre Mitarbeiter so gehäuft haben.

Dröhnend wird derzeit die Propaganda-Maschinerie angefahren. "Darfur ist fast überall sicher und friedlich", erklärte Präsident Baschir am Sonntag seinem Kabinett, das er zu einer öffentlichen Sondersitzung zusammengerufen hatte. Während einer dreitägigen Reise habe er gesehen, dass die Menschen ein "normales Leben" führten. Berichte von Angriffen, Völkermord oder humanitärer Krise seien Lügen aus dem Westen. Ein paar Tage zuvor hatte Baschir bereits behauptet, die auf zweieinhalb Millionen geschätzten Flüchtlinge seien spätestens in einem Monat wieder zu Hause: "Die Friedenssoldaten werden nichts zu tun haben."

Wer da noch an eine diplomatische Einigung mit Khartum glaubt, ist ein unverbesserlicher Optimist oder kennt Baschirs Regierung nicht. Den blutigen Konflikt im Südsudan ließ Baschir 20 Jahre lang toben, bis er 2005 ein Friedensabkommen unterzeichnete, das seine Unterstützer schon längst wieder torpedieren. Der Konflikt in Darfur lässt sich nur beenden, wenn Khartum auch militärisch unter Druck gerät. Die Entsendung einer Eingreiftruppe an die tschadisch-darfurische Grenze, wie sie die EU erwägt, wäre dafür ein erster wichtiger Schritt.

(Copyright Berliner Zeitung, 24.7.07)