Sonntag, 30. März 2008

Papierkrieg in Afrika


Seit ich in Nairobi lebe, ist mir ein kleines Buch ans Herz gewachsen: fester Umschlag, bordeauxrot, passt in jede verschwitzte Hemdtasche, schlichter Text, ein eher misslungenes Foto und eine steigende Zahl von Abbildungen. Mein Reisepass. Ich weiß zu schätzen, dass es Pässe mit 48 Seiten gibt, die im grenzoffenen Deutschland vermutlich niemand braucht. Dass auch sie nach einem Jahr voll sind, liegt an den farbenfrohen und riesig großen Stempeln und Aufklebern, die jedes afrikanische Land zur Grundvoraussetzung der Einreise erhoben hat. Dazu muss man den Pass samt mehrerer Formulare, Passbilder und Dollar-Bündel quer durch Afrika schicken, denn nur wenige Länder leisten sich in Kenia eine diplomatische Vertretung.

Erst Stunden vor dem geplanten Abflug erreichte mich kürzlich ein Paket aus der tschadischen Botschaft in Addis Abeba. Inhalt: mein Pass samt neuem Stempel, eineinhalb Seiten. Auf dem Stempel prangte das Porträt des Alleinherrschers Idriss Déby. Das, so dachte ich, sollte reichen, um meine Einreise zur Formsache werden zu lassen.

Die Grenzpolizei im Tschad dachte allerdings anders. Nachdem ich ein vielspaltiges Formular ausgefüllt und ein Beamter eine weitere halbe Seite mit einem dreieckigen Stempel verziert hatte - daneben seine unleserliche, aber raumgreifende Unterschrift - erklärte er, ich hätte mich binnen 72 Stunden bei der Ortspolizei zu registrieren. Am nächsten Morgen füllte ich dort weitere Formulare aus, heftete Passbilder dazu, bekam einen weiteren Stempel, der zum Aufenthalt in der Hauptstadt berechtige. Gedächte ich zu reisen, so der Beamte, müssten Pass, weitere Formulare und mindestens vier Bilder beim Außenministerium eingereicht werden.

Gesagt, getan: Ich füllte aus, klebte Fotos und erfuhr dann im Weggehen vom gelangweilten Beamten: "Übrigens, im derzeitigen Ausnahmezustand darf nur der Präsident persönlich unterschreiben. Der hat aber selten Zeit." Sprach's und gab mir den Pass zurück - ohne Stempel diesmal.

Man kann nicht immer gewinnen. Solange mein bordeauxrotes Buch am Ende immer wieder zu mir zurück findet, ist eine Schlacht, nicht aber der große Papier-Krieg verloren.

(Copyright Berliner Zeitung, 30.3.08)