Mittwoch, 26. März 2008

"Die Minenbetreiber machen, was sie wollen"


Es war vor zwei Jahren, früh, Samstagmorgen, die Sonne stand noch tief am Himmel. Kwadwo Appiah, einer der Ältesten in Dumase, einem Dorf im Westen Ghanas, ging hinunter zum Fluss, um seinen Wasserkanister zu füllen. Doch den Anblick, als er das Ufer erreichte, hat er bis heute nicht vergessen: hunderte aufgedunsene, tote Fische flossen den Apepra-Strom hinunter, aus Trinkwasser war hochkonzentriertes Gift geworden.

In der nahen Bogoso-Goldmine war Zyanid ausgetreten. Bewohner trugen die hochgiftigen Fische nach Hause, bis der Fluss nach Stunden endlich abgesperrt wurde. "Solche Unfälle passieren immer wieder", bilanziert der Umweltschützer Daniel Owusu-Koranteng, Direktor der lokalen Organisation Wacam (Wassa Accosiation of Communities Affected by Mining). Zweimal binnen zwei Jahren wurde Dumase von den giftigen Fluten heimgesucht. Während die kanadische Minengesellschaft behauptet, den Fluss beide Male gründlich gereinigt zu haben, haben die Bewohner Dumases immer noch Angst vor Krankheiten.

Goldabbau ist eine schmutzige Angelegenheit: Über Tage wie in Bogoso oder unter Tage wie in Obuasi, Ghanas Goldgräberhauptstadt, wird tonnenweise Geröll abgebaut, aus denen das wertvolle Edelmetall mit einer hochgiftigen Zyanidlösung herausgewaschen wird. Zwanzig Tonnen oder mehr müssen dem Boden entrissen werden, um genug Gold für einen Ehering zu gewinnen. Doch mit einem Goldpreis, der zuletzt einen Rekordstand von 1030 US-Dollar pro Feinunze erreicht hatte, lohnt sich der Aufwand für die global operierenden Unternehmen allemal.

Die giftigen Schlämme, die bei der Goldgewinnung übrig bleiben, treten immer wieder aus den künstlich angelegten Stauseen aus, in denen sie gelagert werden. "Aus unserem Fluss können wir nicht mehr trinken", zitiert ein aktueller Bericht der ghanaischen Menschenrechtsgruppe ActionAid den Bewohner eines Dorfes nicht weit von Obuasi entfernt.

Bauern berichten, Angestellte der Goldmine hätten ihre Felder untersucht und danach die Nutzung untersagt. "Sie haben uns gesagt, die Felder sind mit Zyanid verseucht. Jetzt kann ich meine Ernte nicht mehr verkaufen, ich musste meine Kinder von der Schule nehmen." Steven Lenahan, Sprecher des südafrikanischen Minenbetreibers AngloGold Ashanti, weist jede Schuld an den Vorfällen zurück: Für Überschwemmungen seien oft natürliche Ereignisse wie starke Regenfälle verantwortlich. Stets versuche man, auftretende Probleme schnell zu lösen. Doch Daniel Owusu-Koranteng kennt zu viele Probleme des Goldabbaus. So sammle sich oft das Gift Arsen im Grundwasser an, das schwere Krankheiten verursache. Manchen Dörfern liefern Minengesellschaften schon Trinkwasser in Tankwagen, weil die Brunnen komplett vergiftet sind. "Die Regierung interessiert sich nicht für die Opfer", sagt Owusu-Koranteng, "die Minenbetreiber dürfen machen, was sie wollen."

Im derzeitigen Goldrausch suchen Prospektoren fast überall im Land nach neuen Goldfeldern, sagt George Awori, der für die Umweltorganisation Friends of the Earth arbeitet. Mitten in einem Regenwald-Schutzgebiet bewachen ihm zufolge bewaffnete Sicherheitskräfte abgesperrte Areale, wo nach neuen Vorkommen gesucht wird. Die Bewohner des nahen Dorfes Subri, die hier seit Menschengedenken heilige Rituale abhalten, sollen draußen bleiben. "Doch wir werden eher sterben", sagt ihr Häuptling, "als unsere Traditionen aufzugeben." Awori unterstützt ihn. "Beim Abbau an der Oberfläche wird die gesamte Vegetation abgetragen, kein Baum, kein Strauch bleibt stehen." Schwere Fahrzeuge treiben monströse Terrassen in den nackten Boden: So hat Ghana bereits mehr als drei Viertel der Baumdecke verloren, die das damals noch "Goldküste" genannte Land vor hundert Jahren bedeckt hat.

Auch reich ist Ghana durch das Gold nicht geworden. "Nur knapp 15 Prozent der Steuereinnahmen kommen aus dem Goldsektor, das meiste von Einkommenssteuern der Angestellten", zitiert Awori aus einem Haushaltsbericht der Regierung. Und Angestellte gebe es immer weniger: In der Goldkrise der 90er hätten die multinationalen Unternehmen gut 1000 Arbeitsplätze abgebaut.

Dass die Lobby für den Goldabbau dennoch so groß ist, kann Umweltaktivist Owusu-Koranteng nicht verstehen. Er ist in der Minenstadt Tarkwa aufgewachsen. Hier findet sich die höchste Konzentration von Minen in einem Distrik im gesamten Afrika. Er hat gesehen, wie aus Wäldern Wüsten geworden sind. "Wenn wir so weitermachen", sagt er mit leiser Stimme, "dann sind unsere Traditionen bald so tot wie das Land."

(Copyright Der Standard, 26.3.08)