Dienstag, 2. Oktober 2007

Still und leise für den Frieden: Dekha Abdi


In die große Politik hat es Dekha Ibrahim Abdi, eine 43-jährige Muslimin aus dem Nordosten Kenias, nie gezogen. Anders als Kenias berühmteste Aktivistin, Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, hält sie keine Wahlkampfreden und steht auch nur selten vor der Kamera. Ihre Arbeit erledigt Dekha Abdi still und leise, aber erfolgreich: Seit ihrer Jugend vermittelt sie zwischen verfeindeten Clans, religiösen Lagern und anderen zerstrittenen Gruppen. Am Dienstag wurde sie dafür mit dem alternativen Nobelpreis, dem "Right Livelihood Award", geehrt.

Geboren 1964, ein Jahr nach Kenias Unabhängigkeit, wuchs Dekha Abdi in Wajir auf, einer Stadt, die überwiegend von ethnischen Somalis wie ihr selbst bewohnt ist. Wer von hier nach Nairobi fährt, sagt oft: "Ich fahre nach Kenia". Mit den muslimischen Nomaden lieferte sich Kenias Regierung seit der Unabhängigkeit Kämpfe. "Im November 1980 sah ich von meiner Schule aus zu, wie Regierungssoldaten ein ganzes Dorf niederbrannten", erinnert sich Dekha Abdi. "Die Truppen trieben uns aus der Schule und ließen uns einen ganzen Tag lang in der brennenden Sonne sitzen, ohne Schatten, Wasser oder Essen."

Zu den Kämpfen mit der Armee kamen interne Konflikte zwischen verfeindeten Clans, die oftmals bewaffnet ausgetragen wurden. In den 90-er Jahren eskalierte der Konflikt, weil das benachbarte Somalia nach der Flucht des Diktators Siad Barre 1991 auseinanderfiel. "Auf dem Markt haben die Frauen nur noch ihrem eigenen Clan Waren verkauft, man konnte sich nicht mal mehr zu Hause besuchen", so Dekha Abdi. Sie war 19, als sie beschloss, etwas zu unternehmen. "Meine Kindheitsfreunde sind aus anderen Clans, und manche sind Christen, ich bin Muslimin - Toleranz war für mich immer normal."

Im Juli 1993 holten Dekha Abdi und ihre Freundinnen Marktfrauen zu einem ersten Treffen zusammen, die aus unterschiedlichen Clans stammten. Systematisch vergrößerte Dekha Abdi den Kreis, holte mehr Frauen dazu, gründete die "Frauen Wajirs für den Frieden", zu der später auch Jugendliche beiderlei Geschlechts stießen. Schließlich nahm Dekha Abdi die größte Herausforderung an: Das Gespräch mit den Ältesten, jenen Männern, die dem Konflikt zwischen den Clans wirklich Einhalt gebieten konnten. Ende 1994 stimmten auch sie einem Frieden für Wajir zu.

Als muslimische Jugendliche im August 1998 in Wajir Kirchen anzündeten und Christen zusammenschlugen, kehrte die inzwischen in der Hafenstadt Mombasa lebende Dekha Abdi zurück in ihre Heimat und ließ die alten Netzwerke wirken. "Wir haben gemeinsame Gebete von Christen und Muslimen organisiert, wir haben Geld für die verletzten Christen gesammelt und vor allem um Vergebung gebeten", sagt Dekha Abdi, so, als sei es etwas ganz selbstverständliches. Dabei werden im vernachlässigten Nordosten Kenias die meisten Konflikte bis heute gewaltsam ausgetragen.

Inzwischen ist Dekha Abdi als Mediatorin und Dozentin für Friedensstrategien in vielen Ländern unterwegs, auch jenseits von Afrika, etwa in Kambodscha oder auf den Philippinen. Sie hat ein internationales Netzwerk für den Frieden und in ihrer Wahlheimat Mombasa eine "Friedensoase" gegründet, ein Zentrum der Verständigung für die lokale Bevölkerung. Bei aller Zurückhaltung sagt die frischgebackene Trägerin des alternativen Nobelpreises immer deutlich, was der spirituelle Hintergrund ihrer Arbeit ist: Der Koran, dessen Verse sie regelmäßig in ihrer Arbeit zitiert.

(Copyright epd, 2.10.2007; Photo: RLA Foundation)