Montag, 8. Oktober 2007

Der Prozess geht weiter


Vor der Kamera posierten Jugendliche vom Stamm der Ijaw, die im Nigerdelta Front gegen die Regierung machen - da griff Nigerias Geheimdienst zu: Die deutschen Filmemacher Florian Opitz und Andy Lehmann sowie zwei Begleiter wurden am 21. September festgenommen und zwei Wochen lang verhört. Seit Freitag müssen sie sich vor Gericht verantworten. Opitz und Lehmann befinden sich zwar in Obhut der deutschen Botschaft, aber ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Sonntag, die Situation sei unverändert.

Nigerias Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, mit ihren Dreharbeiten die nationale Sicherheit gefährdet zu haben. Die beiden Filmemacher weisen das zurück. Anklagen wegen Terrorismus und Spionage waren im Vorfeld fallen gelassen worden. Doch obwohl die Angeklagten auf Kaution freigelassen wurden, nachdem zwei deutsche Botschaftsangestellte für sie bürgten, geht der Prozess weiter. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 14 Jahre Haft.

Die internationale Berichterstattung über den Kampf militanter Gruppen im Nigerdelta ist der Regierung schon lange lästig. Vielen Politikern, die die Öl-Milliarden in der Hauptstadt Abuja verwalten, während im Fördergebiet absolute Armut herrscht, sind die Berichte zu kritisch. Dass in Afrikas größter Ölnation die Menschen darunter leiden, dass marode Pipelines das Farmland zerstören, während für andere Beschäftigungen Straßen und Strom fehlen, ist keine Werbung für die Regierung, die sich um den Anschein von Modernität und Gerechtigkeit bemüht.

Dennoch ist es das erste Mal, dass die Behörden ausländische Journalisten festnehmen. Viele sehen dies als Beleg für den härteren Kurs, den der neue Präsident Umaru Yar'Adua bei seiner Vereidigung Ende Mai ankündigte. Dass die Milizen immer wieder Öl-Förderanlagen blockieren und bislang hunderte ausländische Ölarbeiter als Geiseln nahmen, ist für den achtgrößten Öl-Lieferanten der Welt schlicht eine wirtschaftliche Katastrophe.

Der 33-jährige Opitz ist für seine globalisierungskritischen Dokumentationen bekannt, die unter anderem in der ARD, in 3Sat und Arte gelaufen sind. Sein letzter Film über die Folgen der Privatisierung, "Der große Ausverkauf", wurde deutschlandweit im Kino gezeigt. Im Nigerdelta wollten Opitz und Lehmann für eine neue Dokumentation recherchieren. Weil Journalisten in Nigeria fast nie eine Einreisegenehmigung erhalten, reisten die beiden offenbar als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation ein, die im Nigerdelta zwischen Milizen und Regierung vermittelt. Die renommierte Leiterin der "Academic Associate Peace Works", Judith Asuni, eine mit einem Nigerianer verheiratete US-Amerikanerin, die seit 34 Jahren in der Region lebt, stellte die Kontakte her. Sie und ihr Kollege Danjuma Saidu sind nun ebenfalls in Haft.

"Asuni ist eine Spionin, die ihre Friedensorganisation als Deckmantel benutzt", erklärt Geheimdienstsprecher Ado Muanzo. Mitarbeiter von zivilgesellschaftlichen Gruppen in Nigeria halten es dagegen für wahrscheinlicher, dass der Aktivistin ihre Nähe zum früheren Präsidenten Olusegun Obasanjo zum Verhängnis wurde. Die in der Vergangenheit brüskierten Militärs, die Asunis Vermittlungskurs stets ablehnten, könnten sich jetzt rächen. Dass die Filmemacher in diesen Konflikt hineingerieten, wäre dann womöglich nur ein - wenn auch erwünschter - Nebeneffekt.

(Cpyright Berliner Zeitung, 8.10.2007)