Dienstag, 18. August 2009

Rationierter Alltag


Dieser Text ist eine Montagsproduktion. Das ist nicht im übertragenen Sinne gemeint. Weder hat dieses Global Village erkennbare Macken, noch ist es aus minderwertigen Bausteinen von einem vom Wochenende ermüdeten Arbeiter zusammengesetzt worden. Nein, es ist schlicht an einem Montag geschrieben. Denn nur am Montag, so legt es ein zweiseitiger, eng bedruckter Plan der kenianischen Elektrizitätswerke dar, gibt es Strom für meinen Computer. Dann erst wieder am Mittwoch, und schließlich am Freitag. An den restlichen Wochentagen bleibt die Steckdose tot: So will es die neu eingeführte Stromrationierung.

Damit umzugehen will gelernt sein. Frische Milch kaufen wir nur noch sonntags, dienstags und donnerstags, möglichst abends, damit die Kühlregalkälte (große Supermärkte haben dank eigener Generatoren Strom rund um die Uhr) bis zum nächsten Morgen vorhält. Das gilt für alle verderblichen Waren. Das Eisfach ist sowieso längst leergeräumt, im Regal daneben sind Kerzenpakete gestapelt. Die werden derzeit so eifrig gehamstert, dass sie oft ausverkauft sind. Eigentlich soll zwar zumindest nachts der Strom wieder angedreht werden, doch das klappt nicht immer.

Wäsche waschen wir nur noch mittwochs, denn von Freitag bis Montag gibt es kein Wasser. Auch das ist wegen ausgebliebener Regenfälle rationiert. Weil die Waschmaschine Strom, aber eben auch Wasser braucht, läuft sie mittwochs von früh morgens bis spät abends. Das Telefon schließlich ist schon lange rationiert, wenn auch leider nicht so vorhersehbar: Im Schnitt funktioniert es fünf Tage im Monat, was daran liegt, dass es in Nairobi zu viele Nummern für zu wenige Anschlüsse gibt.

Einziges Gesprächsthema der Kenianer ist derzeit, was als nächstes rationiert wird. Am wahrscheinlichsten wird es Zucker sein, denn wegen der Dürre sind die Ernten schlecht gewesen. Auch Maismehl, Milch und andere Hauptnahrungsmittel sind heiße Kandidaten. An den Ladenregalen hängen vielerorts schon erste Schilder: Nicht mehr als zwei Packungen auf einmal kaufen! Auch Diesel dürfte knapp werden, nicht zuletzt, weil in den Einkaufszentren mehr Generatoren brummen als je zuvor. Zwar hat die Politik Besserung versprochen. Doch die bisherigen Vorschläge waren echte Montagsproduktionen: im übertragenen Sinne.

Copyright Berliner Zeitung, 18.8.09)