Donnerstag, 20. August 2009

Kein Wasser, kein Fleisch


Von den Rinderherden, die die farbenfroh gekleideten Massai normalerweise durch die Ebenen am Fuß des Kili-mandscharo treiben, ist in diesen Tagen nichts mehr zu sehen. Die einst grüne Landschaft ist braun und grau, Farben des Todes und der Not. „Noch keine Dürre war so schlimm wie diese“, sagt der Massaihirte Mengeti ole Lomni. Drei Jahre lang hat es hier kaum geregnet, die letzte Regenzeit ist ganz ausgefallen. Wasser ist Mangelware, die meisten Brunnen sind ausgetrocknet. Der Durst ist das Einzige, was für die Bevölkerung derzeit noch schlimmer ist als der Hunger.

Für mehr als zwanzig Millionen Menschen in Kenia, Somalia und Äthiopien ist die Nahrungsmittelversorgung nicht mehr gesichert. Mit dem Regen bleibt auch die Ernte aus, entsprechend steigen die Preise. Ein Paket Maismehl, Grundnahrungsmittel der meisten Kenianer, kostet derzeit 120 Schillinge (1,10 Euro), fast einen Tageslohn. Die zwei Kilo reichen einer vierköpfigen Familie für ein paar Tage, vorausgesetzt, es gibt genug Wasser zum Strecken. Kenias Landwirtschaftsminister William Ruto rechnet frühestens in einem Jahr mit einer Entspannung der Versorgungslage.

Eigentlich sollten in Zeiten der Not die staatlichen Maisreserven auf den Markt gebracht werden, teils als Nothilfe, teils, um den Preis zu drücken. Doch offiziellen Angaben zufolge liegen in den staatlichen Maissilos nur noch zweieinhalb statt normalerweise acht Millionen Sack Mais. Einen guten Teil der Differenz sollen korrupte Ministerialbeamte und sogar der Landwirtschaftsminister selbst für Millionengewinne ans Ausland verkauft haben. Zwar hat die Regierung angekündigt, Armee und Polizei aufs Land zu schicken, um Hilfslieferungen zu verteilen. „Aber ich frage mich, was die verteilen wollen“, sagt sich Iris Krebber von der Deutschen Welthungerhilfe in Kenia. „Nach meinem Wissen fehlt es nicht an Verteilern, sondern an Hilfsgütern zum Verteilen.“

Die Preise auf den Märkten sind so hoch, dass Bewohner der Armenviertel sich inzwischen von Schweinefutter ernähren. „Ein Sack mit 90 Kilo kostet 1200 Schillinge“, erklärt Jane Wanjiru, alleinerziehende Mutter von vier Kindern. „Für einen Sack Weizenmehl müsste ich mehr als das Dreifache zahlen, das kann ich mir nicht leisten.“ So legt die 35-Jährige mit fünf Freundinnen zusammen, um Schweinefutter zu kaufen. „Ein Sack ernährt sechs Familien für mehr als eine Woche.“ Die Zubereitung, sagt Wanjiru, ist schwierig: Um aus dem stinkenden Pflanzen- und Tiermehl eine Art Fladen zu backen, muss sie eine Handvoll des teuren Weizenmehls zugeben und einen Löffel Öl in der Pfanne erhitzen. Das Ergebnis sieht eher aus wie ein bröckliger Keks, doch Wanjirus Kinder greifen zu. Unter Magenschmerzen leiden sie, sagt die Mutter, und unter Durchfall. „Aber was soll ich ihnen sonst geben? Hilfslieferungen hatten wir hier schon seit einem Monat nicht mehr.“

Massaihirten wie Mengeti ole Lomni sehen unterdessen zu, wie sich ihr einziger Reichtum, die Rinderherden, dezimieren. Weil es überall im Land trocken ist, kehren immer mehr Herden in die Heimat zurück, wo sie notgeschlachtet werden. Der Verkauf lohnt sich nicht. Für die klapperdürren Kühe bekommen sie auf dem Markt gerade mal noch umgerechnet zehn Euro – normalerweise ist es vierzigmal so viel. Durch die Schlachtungen haben die Massai zumindest für den Moment etwas Fleisch. Doch wie er ohne Vieh in Zukunft überleben will, bleibt für ole Lomni ein unlösbares Rätsel.

(Copyright Rheinischer Merkur, 20.8.09)