Donnerstag, 1. Mai 2008

Vom Paria zum Liebling


Freunde bezeichnen den Mann als Vollblutpolitiker: Im Kampf gegen einen allmächtigen Präsidenten und das politische Establishment, so ihre Bilanz, lässt er sich auch von Schauprozessen und brutaler Ellbogentaktik nicht aufhalten. Anders als der abgehobene "Alte" stehe der langjährige Gewerkschafter mit beiden Beinen auf den Füßen und sei ein Mann der "kleinen Leute". Nein, nicht von Morgan Tsvangirai ist die Rede, dem kämpferischen simbabwischen Oppositionsführer, sondern von Jacob Zuma, dem neuen Chef des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Doch die Ähnlichkeiten zwischen beiden Politikern sind so groß, dass Anhänger der Opposition im gebeutelten Simbabwe den Südafrikaner Zuma als neuen Hoffnungsträger entdeckt haben. Von dem 1942 geborenen Zulu erhoffen sie sich ein Ende der ergebnislosen "stillen Diplomatie", die Südafrikas Präsident Thabo Mbeki seit Jahren propagiert. Erst kürzlich verkündete Mbeki, in Simbabwe gebe es gar keine Krise. Mehr als alles andere dürften solche Äußerungen dafür gesorgt haben, dass Zuma sich in den vergangenen Tagen stärker als zuvor für einen Wandel im vom 84-jährigen Robert Mugabe zu Grunde gerichteten Nachbarland aussprach. Denn Zuma will vor allem eins: Sich innerhalb und außerhalb der Partei gegen Mbeki profilieren, um seine Präsidentschaftskandidatur für die Wahlen 2009 perfekt zu machen.

Zwar kann der Chef der unbestritten mächtigsten Partei in Südafrika den politisch perfekten Lebenslauf vorweisen: Aufgewachsen als Sohn einer Witwe und ohne formale Schulausbildung, trat Zuma mit 17 Jahren dem im Apartheidsstaat verbotenen ANC bei und wurde später in dessen militärischem Flügel aktiv. Zuma wurde verhaftet und verbrachte zehn Jahre auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island, wo auch Nelson Mandela inhaftiert war. Aus dem Exil in Mosambik und Sambia kehrte Zuma unmittelbar nach der Legalisierung des ANC zurück nach Südafrika und verhandelte mit über die Post-Apartheids-Regierung. Doch all die politischen Meilensteine werden seit 2006 überschattet von Zumas Skandalen: Ungeschützter Sex mit einer HIV-positiven Frau ("ich habe danach geduscht, um kein AIDS zu bekommen"), die Zuma Vergewaltigung vorwirft - ein Gericht sprach ihn frei. Doch im August wird der bekennende Polygamist, der mindestens 18 Kinder von fünf verschiedenen Frauen hat, erneut vor Richtern stehen, diesmal wegen Korruption und Betrugsvorwürfen. Zwar stehen seine Unterstützer, allen voran der linke Flügel des ANC, unerschütterlich zu ihm - doch in Finanz- und Wirtschaftskreisen ist Zuma ebenso unten durch wie im Ausland. Die Krise in Simbabwe kommt Zuma gerade recht, um sich als präsidiabel zu verkaufen.

"Man darf eine Nation und im Effekt die internationale Gemeinschaft nicht in solch Anspannung versetzen", kritisierte Zuma schon Anfang April die simbabwische Wahlkommission, die auch einen Monat nach der Präsidentenwahl noch kein Ergebnis verkündet hatte. Da hatte Mbeki gerade erklärt, man könne gelassen auf ein Ergebnis warten. Auf Besuch in London wählte Zuma zwei Wochen später noch einmal kämpferische Worte: "Ich glaube kaum, dass in der simbabwischen Verfassung steht: Wahlergebnisse können bekannt gegeben werden, wann immer es der Wahlkommission beliebt." Gemeinsam mit Großbritanniens Premierminister Gordon Brown veröffentlichte Zuma eine Erklärung, in der beide eine sofortige Bekanntgabe der Ergebnisse und ein Ende der Gewalt in Simbabwe fordern. Und auf einmal stand Jacob Zuma, der einstige Paria, als neuer Darling des Westens im Rampenlicht. "Ich habe Morgan Tsvangirai getroffen, er ist ein Arbeiter wie ich und ein tapferer Mann", erklärte Zuma kurz darauf.

Zumas Kritik an der Situation in Simbabwe soll ihm zudem an der Heimatfront helfen, beim südafrikanischen Gewerkschaftsbund COSATU, der ANC-Jugendbewegung und den Kommunisten, die ihn innerhalb des ANC stützen. Seit er Parteichef ist, hat Zuma seine Basis mit Beschwichtigungen irritiert. "An der südafrikanischen Wirtschaftspolitik wird sich unter meiner Führung nichts ändern", sagte Zuma etwa kürzlich. Was die Wirtschaft aufmuntern soll, verunsicherte diejenigen, die in Mbekis Südafrika ein Wirtschaftswachstum ohne neue Arbeitsplätze kritisieren. Dass Zuma seine Stimme zu Simbabwe erhebt,kommt hingegen gut an: COSATU und die Kommunisten hatten die Wahl in Simbabwe schon vor dem Urnengang als unzulässig gebrandmarkt, weil die Opposition unterdrückt werde. "Robert Mugabe hat uns missbraucht", erklärte etwa der ANC-Finanzchef und Zuma-Verbündete Mathews Phosa. Erst vergangene Woche stoppten Gewerkschaften einen Waffentransport ais China nach Simbabwe, indem ihre Mitglieder sich weigerten, einen Frachter im Hafen von Durban zu entladen. Das mit mehr als 70 Tonnen Waffen beladene Schiff musste nach China zurückkehren.

Doch die Kritik des Populisten Zuma richtet sich, anders als bei seinen Verbündeten, nicht primär gegen Mugabe, sondern vor allem gegen seinen politischen Erzfeind Mbeki. Denn in Wirklichkeit haben Zuma und Mugabe mehr als nur einige Gemeinsamkeiten. So verlangen Zumas Berater, dass ein Drittel des Farmlandes bis 2014 in Händen schwarzer Bauern sein soll - bei weißen Bauern, die bis heute den Großteil der Landwirtschaft am Kap kontrollieren, weckt das unerfreuliche Erinnerungen an Mugabes Vertreibungen weißer Farmer in den vergangenen Jahren. Beide politischen Führer sind für ihre Brandreden bekannt - die britische "Times" titelte kurz nach Zumas Wahl zum Parteichef: "Ist das der neue Mugabe?" Mugabe war der erste Staatschef, der Zuma nach seiner Wahl zum ANC-Vorsitzenden ein Telegramm schickte. "Glückwünsche vom Bruder Führer", stand darin.

Mit Kritik an Mugabe selbst hat sich Zuma denn auch zurück gehalten. "Was nutzt es, Mugabe zu beleidigen?", verteidigte Zuma Südafrikas Blockade einer Simbabwe-Diskussion im UN-Sicherheitsrat. Auch für ein Waffenembargo sei es zu früh, urteilte Zuma, und konnte nicht umhin, Mbeki doch zumindest ein wenig Respekt zu zollen: "Südafrika tut mehr als die meisten." Dem Spiegel sagte Zuma vor einem Jahr: "Mugabe ist bei den Afrikanern sehr beliebt, die Europäer ignorieren das oft." Er, Zuma, habe Mugabe nicht widersprechen können, als er dem Westen bei einem persönlichen Gespräch Doppelzüngigkeit vorgeworfen habe: Der gewählte Mugabe werde vom Westen kritisiert, während die USA und Großbritannien Militärherrscher wie Pervez Musharraf unterstützten. "Da konnte ich nichts drauf erwidern."

Doch auch wenn seine Motive opportunistischer Natur sein mögen: Südafrikas Kritik, und sei sie noch so verhalten, ist für Simbabwes Opposition so wichtig, dass sie sich schon mangels Alternative an Zuma klammern muss. Das Land am Kap gilt neben China als einziges, das einen Regimewechsel in Harare herbeizwingen könnte. Zweifellos hat Zuma dafür im ANC das nötige Backing. "Er ist ein Mann, der zuhört", sagt einer seiner Anhänger über Jacob Zuma. Wenn das wirklich stimmt, dann wird Zuma auf Dauer nicht um härtere Kritik an Robert Mugabe herumkommen.

(Copyright Rheinischer Merkur, 1.5.2008)