Donnerstag, 15. Mai 2008

Mathe mit Mugabe


Als Junge habe ich im Laden meiner Eltern gestanden und war stolz, wenn ich abends die Einnahmen zählen durfte. Das Größte war es, Münzen in ein Raster zu schieben und später zu rollen. Kaufmännisches Rechnen habe ich also kurz nach der Muttermilch aufgesogen. Das rächte sich, als ich in Simbabwes Hauptstadt Harare frühstücken ging. Ein Nescafé, ein Doughnut, die Rechnung betrug 55 Millionen simbabwische Dollar. Ich zückte sechs 10-Millionen-Scheine. Verlegen sagte die Kellnerin: "Wir haben kein Kleingeld zum Wechseln, haben Sie fünf Millionen?"

In meinem Umhängebeutel findet sich ein Umschlag, den mir ein Freund mitgegeben hat: Simbabwe-Dollar von seiner Reise im Dezember. Ich nehme einen dicken Stapel 50 000-Dollar-Scheine heraus und zähle 100 davon ab. Drei entsprachen im Dezember einem Bier. Später sah ich auf der Straße einen 50 000-Dollar-Schein liegen. Niemand bückte sich, 50 000 gibt es schon lange nichts mehr. Gerade hat die Zentralbank den 250-Millionen-Dollar-Schein präsentiert.

Irgendwann waren meine Millionen alle und ich machte einen großen Fehler. Ich betrat zum Wechseln eine Bank. "Für einen Euro bekommen Sie hier 42 576 Simbabwe-Dollar", sagte der Angestellte an der Kasse. Das kaufmännische Rechnen setzte ein: 42 576 Simbabwe-Dollar für einen Euro, das hieße mein Nescafé mit Doughnut würde mich mehr als 1 000 Euro kosten. Das erschien mir viel. Ich packte meinen 50 000 Simbabwe-Dollar-Stapel und sagte: "Dafür hätte ich gerne Euro." Er lachte, schloss den Schalter und lud mich zu Kaffee und Aufklärung ein: Natürlich könne ich zum staatlich festgesetzten Kurs keine Euro kaufen. Das gehe nur auf dem Schwarzmarkt, zum echten Wechselkurs: ein Euro 60 gegen Millionen Simbabwe-Dollar. Nur einer kann in Simbabwe zum offiziellen Kurs in Euro wechseln: der Präsident.

Fährt Mugabe in den Urlaub, laufen die Druckmaschinen in der Zentralbank von Harare besonders schnell, dann tauschen Bankangestellte die frischen Scheine auf dem Schwarzmarkt in Euro. Der Bankangestellte geht zurück zum Schalter, um die Inflation zu beobachten.

(Copyright Berliner Zeitung, 15.5.08)