Sonntag, 20. Mai 2007

Made in Africa


Der Stoff war wie für Hollywood gemacht: Ein größenwahnsinniger Diktator, der mit einer Mischung aus Charme und Brutalität sein Land und die Welt in Atem hält. Kein Wunder also, dass Der letzte König von Schottland über Ugandas Diktator Idi Amin auch an den Kinokassen ein Erfolg ist. Ein kleines Wunder war hingegen, dass der Film an Originalschauplätzen in Uganda gedreht wurde - glaubt Joanitta Bewulira-Wandera, die für das Casting der rund 6.000 Schauspieler und Statisten in dem ostafrikanischen Land zuständig war. "Zum ersten Mal wurde in Uganda ein richtiger Film gedreht - so etwas hat es hier vorher nicht gegeben."

Weil Ugandas Regierung keine Ansprechpartner in Sachen Film hat, gab der Präsident persönlich das Okay für den Dreh. Das Team von Regisseur Kevin Macdonald konnte so problemlos im größten Hospital der Stadt, im ugandischen Parlament und am Flughafen von Entebbe drehen. Logistisch war die Arbeit dagegen ein Albtraum, sagt die Produzentin Andrea Calderwood. "Uns wurde jede Nacht das Benzin aus den Autos geklaut, und viele unserer Requisiten waren noch nie für einen Film benutzt worden - alles dauerte ewig."

Improvisieren ist alles

In Uganda gibt es zudem nur eine Handvoll professioneller Schauspieler, die Fernsehen oder Theater machen. "Die waren schnell für die aufwändigeren Szenen in Kampala verplant", erinnert sich Bewulira-Wandera. Für die Tausende Statisten ging die 46-jährige Fernsehregisseurin in die Dörfer nahe der Drehorte - oder ließ sie von Ugandas Regionalverwaltung rekrutieren. "Es gibt am Anfang des Films diese Szene, wo Forest Whitaker als Idi Amin vor die jubelnde Menge tritt und seine Antrittsrede hält, dafür brauchten wir 2.000 Statisten." Es kostete Bewulira-Wandera viele Stunden Geduld, um den Bauern und Hausfrauen zu erklären, was das Team vorhatte. "Die haben mich ausgebuht und angeschrien: Du lügst doch - Amin ist längst tot." Als beim Dreh Forest Whitaker im Amin-Kostüm auf die Bühne trat, kannten die Hilfsschauspieler kein Halten mehr. "Das Johlen und die Begeisterung waren echt, davon war nichts gespielt."

Bewulira-Wandera ist bis heute beeindruckt, wie Regisseur und Produzenten solche Hürden mit Bereitschaft zu Improvisation und viel Humor genommen haben. "Das ist überhaupt nicht üblich", weiß Mario Zvan, der nebenan in Kenia die Produktionsfirma Blue Sky leitet. Blue Sky hat sich seit zehn Jahren auf Produktionen im Hollywood-Maßstab spezialisiert und war für die Dreharbeiten zu Tomb Raider 2 mit Angelina Jolie oder Der ewige Gärtner verantwortlich. "Wenn wie bei Tomb Raider 2 ein Drehtag 100.000 US-Dollar kostet, wollen die Produzenten Effizienz und Zuverlässigkeit wie zu Hause - und außerdem noch ordentlichen Komfort." Über die Jahre hat Zvans Firma sich einen Fundus an Equipment angeschafft und kann alles andere schnell besorgen. "Zu Tomb Raider 2 haben die Produzenten noch eine Boeing gechartert, die 300 Leute und tonnenweise Geräte hergebracht hat - ein paar Jahre später beim Ewigen Gärtner hatten wir nicht mehr als 35 Ausländer am Set."

Fachkundiges Personal ist aus Zvans Sicht das größte Hemmnis für Filme in Afrika. Zwar gibt es immer mehr Kenianer, die in Europa und den USA die Filmschule besuchen und danach nach Hause zurückkehren. "Aber die studieren zwei Jahre und nennen sich danach Cutter oder Kameramann - ohne jede praktische Erfahrung." Die zu sammeln, ist in Afrika schwer. Erst in den vergangenen Jahren hat sich in Kenia parallel zum Fernsehen ein lokaler Markt für Billigfilme etabliert, die nur auf DVD veröffentlicht werden. "Riverwood" werden die so anspruchslosen wie beliebten Streifen genannt, die wie Nigerias "Nollywood"-Movies aktuelle Gesellschaftsprobleme aufgreifen und im Regelfall mit einer Kamera binnen einer Woche abgedreht werden. "Riverwood ist gut, um überhaupt ein Bewusstsein für Filmemachen in Kenia zu schaffen", glaubt Jim Shamoon, der auch für Blue Sky arbeitet. Professionell brächten die Produktionen aber niemanden weiter. "Das Einzige, das in Kenia für den lokalen Markt auf internationalem Niveau gedreht und produziert wird, sind Musikvideos." Die MTV-gewohnten Zuschauer geben sich nicht mit weniger als dem zufrieden, was sie aus den USA kennen. Außerdem gibt es für Musikvideos Kapital, das sonst knapp ist. "Da wird man in der Zukunft den einen oder anderen wirklich guten Mann auch für große Produktionen abgreifen können."

Konkurrenten Kenia und Südafrika

Kenia ist nur eines von vielen afrikanischen Ländern, das um Hollywood-Präsenz buhlt. Der Konkurrenzkampf ist groß. Immer mehr Regierungen gründen spezialisierte Agenturen, die ihre Länder international vermarkten sollen. Kenias "Film Commission" wirbt außerdem in Bollywood, dem zweitgrößten Produktionsstandort der Welt. "Indische Regisseure machen immer mehr Spielfilme mit einer traditionellen Handlung, für die sie neue Locations suchen", erklärt Marketingchef Elijah Kahara die Orientierung nach Osten. Als größten Vorteil Kenias verkauft er die Vielfalt der Landschaften. "Wir haben Strände, Savanne, Wüste, Berge, Dörfer - alles weniger als eine Flugstunde voneinander entfernt." Gut für Bollywood-Stars mit ihren engen Zeitplänen, die oft mehrere Filme in unterschiedlichen Settings zur gleichen Zeit drehen. Ein handfestes Argument sind außerdem die Kosten: In Kenia lässt es sich noch einmal billiger drehen als in Indien - oder in Südafrika.

Südafrika ist der mit Abstand größte Player im afrikanischen Movie-Business und arbeitet hart daran, seine Vorreiterrolle auszubauen. Ausländische Filmemacher bekommen nicht nur ohne Abstriche westlichen Lebens- und Arbeitsstandard, sondern auch Steuererlasse und andere Incentives der Regierung. Drei Ministerien beschäftigen sich in Südafrika mit Film, und auch die eigenen Filmemacher kommen nicht zu kurz. Filme mit westlichem Produktionsniveau wie der Oscar-Preisträger Tsotsi oder der FESPACO-Gewinner Drum sind möglich, weil es in Südafrika eine gut ausgestattete Filmförderung gibt. Dazu kommen die zahlreichen Produktionsfirmen, die zu einem guten Teil von der Werbung leben, dem Fundament des südafrikanischen Filmbusiness.

"Nach Südafrika geht man eigentlich, um Europa zu drehen, nicht Afrika", urteilt Blue Sky-Manager Zvan. Südafrika habe keine archetypischen afrikanischen Landschaften. "Außerdem hat Südafrika nur eine starke eigene Geschichte, die Apartheid." Trotzdem werden nicht nur Filme wie Goodbye Bafana am Kap gedreht. "Wenn ein Hollywood-Produzent sagt, wir wollen einen Film wie Blood Diamond drehen, dann antworten die Südafrikaner, kein Problem, wir haben alle Locations hier, die ihr braucht - nur eine Flugstunde entfernt, in Mosambik." Die Dreharbeiten werden zwar deutlich teurer, als wenn man in Mosambik direkt gedreht hätte - doch fehlt dort die nötige Infrastruktur noch ganz. "Natürlich hätte man Blood Diamond auch in Kenia drehen können, aber auf die Idee kommen die meisten Filmemacher nicht."

Das bestätigt der Kenianer Robin Hollister, der weltweit als Location-Scout im Einsatz ist. "Bei der Verfilmung von Der Geist und die Dunkelheit, der in Kenias Tsavo-Nationalpark spielt, hatten wir alle Originalschauplätze zur Hand - aber Produzent Michael Douglas kannte Südafrika von Werbedrehs und hat sich für Johannesburg entschieden." Nach Hollisters Erfahrung wird die Entscheidung, in welchem afrikanischen Land gedreht wird, viel öfter im Bauch als im Kopf getroffen. Wer sich auf den "dunklen" Kontinent wagt, der will so viel Sicherheit wie möglich - ein schlechter Ruf hält sich im Gerüchtesumpf von Hollywood fast unbegrenzt. "Immer wieder treffe ich in Hollywood Regisseure, die mir sagen: Ich würde gerne mal in Kenia drehen, aber die Regierung macht ja so viel Schwierigkeiten." Schwierigkeiten, die Hollister in seinen 27 Jahren als Location-Scout nie erlebt hat: im Gegenteil. Die Regierung, so Hollister, hilft, wo sie kann. "Aber so richtig begriffen, welches Potenzial das Film-Business hat, hat sie noch nicht."

(Copyright epd film, Mai 2007)